Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
Übungen (Tantra) ergänzen und festigen.
Mir sind sechs verschiedene Arten des Phowa für einen selbst bekannt, es gibt aber sicher noch mehr. Im Folgenden werden die beiden beschrieben, die zu erlernen der 16. Karmapa meine Frau Hannah und mich im Jahre 1972 zu Ayang Tulku in die südindischen Flüchtlingslager schickte. Seit 1987 gebe ich auf Wunsch von Tenga Rinpoche und Shamar Rinpoche rund um die Welt ungefähr zwölfmal im Jahr Kurse für Tausende von Schülern. Man kann diese Übung im Augenblick des Todes, etwa 68 Stunden nach dem Tod oder auch während der möglichen 49 Tage des Bardos durchführen. [40]
Phowa für sich selbst (Phowa der drei Bewusstheiten)
Phowa ist eine Übung des Diamantweges. Sie steht jedem offen, der die Bereitschaft hat, fünf bis sechs Tage hindurch neun Stunden täglich Belehrungen zu hören und zu meditieren. Gleichwohl erfordert sie Vertrauen in die buddhistische Zuflucht, eine Einweihung oder angeleitete Meditation, Gomlung genannt, und sorgfältige Unterweisungen durch einen geübten Diamantweg-Lehrer, der innerhalb seiner Übertragungslinie zur Weitergabe dieser Übung befugt ist. Man meditiert so lange auf den Buddha des Grenzenlosen Lichtes über einem und entwickelt den Wunsch, in sein Kraftfeld zu treten, bis sich ein sichtbares Zeichen auf der Schädelspitze zeigt. Es stellt sich als Folge der Öffnung der nicht karmischen mittleren Energiebahn im Körper ein und gibt einem die Gewissheit, in das Reine Land, das Kraftfeld dieses Buddhas, eingehen zu können.
Abb. 29 Phowa in die Buddhazustände
Wer das Phowa lernt, soll sich die Unterschiede zwischen der Übung und dem Ernstfall, der Erfahrung des eigenen Todes, genau einprägen und nicht wieder vergessen. In beiden Fällen sollte er wie in allen Diamantweg-Übungen den Lama als vom angerufenen Buddha nicht getrennt ansehen und wissen, dass sein Wesen von dessen Licht-Energieform nicht verschieden ist. Da der Lehrer nichts anderes ist als der Spiegel des eigenen Geistes und das Phowa einem dieses Erkennen ermöglicht, brauchen die Übenden nur Ziel, Weg und das »reisende« Gewahrsein, um in das Reine Kraftfeld dieses Buddhas zu gehen.
Jede Art von Phowa muss gut gelernt und im Augenblick des Todes so einsgerichtet wie möglich angewandt werden. Es ist wichtig, sich zu dieser Zeit nicht von auftauchenden Störgefühlen mitreißen zu lassen, sondern sich mit unabgelenktem Geist auf den Lama als Vertreter des Roten Buddhas einzustellen und das Bewusstsein zu ihm hochzuschicken. Die im Sterbeverlauf freigesetzten Körperenergien werden als sehr kraftvoll und befreiend erlebt, so als wenn ein Riese einen Pfeil von seinem Bogen abschießt. Die Verbindung zum Kraftfeld, dem Reinen Land, lässt einen mitten ins Ziel treffen. In dieser Weise erwartet einen ganz sicher die Befreiung.
Phowa für andere (Haken des Mitgefühls)
Mit diesem Phowa kann man verstorbene Freunde, die dem Gedankengut des Buddhismus nahestanden, auf eine Bewusstseinsebene der Entwicklung heben, von der man nicht mehr herunterfallen kann. Der Verstorbene entwickelt sich dann in einer geschlossenen Lotosblüte im Reinen Land des Buddhas des Grenzenlosen Lichtes weiter.
Man erlernt diese Meditation immer erst, nachdem man erfolgreich Phowa für sich selbst geübt hat. Wer Mittel und Segen zum Besten aller sucht, sollte also unbedingt diese beiden Meditationen lernen. Das Phowa erspart den Wesen nicht nur die Ängste im Zwischenzustand, in dem gemischte Eindrücke aus ihrem Speicherbewusstsein erscheinen, sondern man umgeht im Zustand wachsender Wonne und Erfüllung den ganzen Kreislauf der bedingten Welt. Das Phowa, das den Namen »Haken des Mitgefühls« trägt, bringt den größten Nutzen innerhalb der ersten halben Stunde nach dem letzten Atemzug. Während der darauffolgenden 68 Stunden der Ohnmacht wirkt es nicht, aber vom dritten bis zum zehnten Tag sind die Bedingungen dafür wieder sehr gut. Gelingt es einem nicht, ein Gefühl der Verbindung zum Verstorbenen zu entwickeln, sollte man an seinem Todestag einmal wöchentlich Phowa für ihn durchführen und Mantras wie OM AMI DEWA HRIH wiederholen. Am 49. Tag ist die letzte Gelegenheit, dem Verstorbenen unmittelbare Hilfe zu leisten, und meistens sind dann schwere Fälle wie Selbstmörder dafür besonders offen.
Über den Zwischenzustand des Todes hinaus sind die Einflussmöglichkeiten sehr gering. Zwar konnte Lopön Tsechu Rinpoche, von dem diese Belehrungen zu den verschiedenen Phowas
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