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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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»Ist eins von Ihren Kindern dabei?«
    Er sah mich grinsend an. »Ja, Mr. Herriot. Unsere Margaret. Sie spielt ganz gut, ich hoffe nur, sie bleibt nicht stecken.«
    »Wird schon gut gehen, Jeff. Miss Livingstone ist eine prima Lehrerin.«
    Er nickte und wandte sich nach vorn, da das Konzert begann. Als erstes stiegen kleine Jungen in kurzen Hosen und Söckchen und noch kleinere Mädchen in angekrausten Kleidern aufs Podium, deren Füße noch nicht einmal die Pedale des Instruments erreichten.
    Miss Livingstone hielt sich in ihrer Nähe auf, um ihnen zu Hilfe eilen zu können. Wenn sie Fehler machten, lächelte das Publikum gerührt, und am Schluß jeder Vorführung erklang donnernder Applaus.
    Es entstand jedoch eine gewisse Spannung im Saal, als die Kinder größer und die Stücke schwieriger wurden. Die Fehlgriffe waren jetzt nicht mehr so komisch, und als die Tochter des Obsthändlers, Jenny Newcombe, nicht weiter konnte und – dem Weinen nahe – den Kopf senkte, wurde es mucksmäuschenstill im Saal. Es herrschte Angst. Ich fühlte es selbst. Ich grub die Fingernägel in die Handballen und preßte die Zähne zusammen. Als Jenny dann endlich weiterspielte, beruhigte ich mich wieder, wie die anderen Eltern auch, und fühlte mich ihnen im Leid verbunden.
    Als Margaret Ward die Stufen zum Podium hochstieg, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Jeff sich steif in seinem Stuhl aufrichtete und seine rauhen Arbeitshände die Knie umklammerten.
    Margaret fing sehr hübsch an, bis sie zu einem ziemlich komplizierten Akkord kam, den sie mißtönend anschlug. Sie merkte, daß sie falsch gespielt hatte und versuchte es wieder... und wieder... und wieder – und jedesmal falsch.
    »Es ist c und e, mein Kind«, murmelte Miss Livingstone. Und Margaret schlug den Akkord noch einmal an, laut und falsch.
    »Sie schafft es nicht«, dachte ich und merkte, daß mein Puls raste.
    Ich sah zu Jeff hinüber. Sein Gesicht sah fleckig aus, und seine Beine waren krampfhaft umeinander geschlungen. Er schien meinen Blick zu spüren, denn er sah mich gequält an und versuchte sich in einem geisterhaften Lächeln. Seine Frau lehnte sich mit offenem Mund und zitternden Lippen vor.
    Während Margaret um die richtigen Töne kämpfte, herrschte vollkommene Stille im Saal. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe sie es schaffte und den Rest des Stückes im Galopp herunterspielte. Obwohl sich nun alle wieder entspannten und ebenso aus Erleichterung wie aus Zustimmung applaudierten, fühlte ich, daß die Episode uns alle sehr mitgenommen hatte.
    Ich jedenfalls beobachtete nun halb in Trance, wie eine Reihe von Kindern aufs Podium stieg und ihr Spiel ohne Zwischenfall hinter sich brachten, ehe Jimmy an die Reihe kam.
    Die meisten der vorspielenden Kinder waren ebenso nervös wie ihre Eltern. Aber das konnte man von meinem Sohn nicht behaupten. Er ging fast pfeifend die Stufen hinauf und setzte sich großspurig ans Klavier. Für ihn schien es ein Kinderspiel.
    Mich dagegen überkam eine Art Starre. Meine Hände wurden schweißnaß, und ich merkte, daß ich nur mit Mühe atmen konnte. Ich fühlte selbst, daß es lächerlich war, aber es half nichts.
    Jimmys Stück hieß Der Tanz des Müllers, ein Titel, den ich bis zum Tage meines Todes nicht vergessen werde. Es war eine ausgelassene kleine Melodie, die ich natürlich bis zum letzten Ton kannte. Jimmy fing in großem Stil an, er warf die Hände auf die Tasten und schleuderte den Kopf hin und her wie Arthur Rubinstein.
    Etwa in der Mitte des Stückes ist eine kleine Pause. Das schnelle Tam-te-ram-tam-tam-tam-tam geht in ein schwebendes Da-da-da-da-da über, ehe es wieder in schnellem Tempo weitergeht. Jimmy spielte schmissig und mit dreschenden Armen bis zu diesem Punkt, dann kam das langsame Da-da-da-da-da... Ich wartete, daß er wieder loslegte – aber nichts geschah. Er fixierte ein paar Sekunden die Tasten, spielte den langsamen Takt noch einmal und – stockte wieder.
    Mein Herz hämmerte. Los, Junge, du weißt doch, wie es weitergeht – du hast es hundertmal gespielt. Meine stumme Bitte kam aus der Verzweiflung. Aber Jimmy blickte verwirrt auf die Tasten und rieb sich ein paarmal das Kinn.
    Miss Livingstones sanfte Stimme sagte: »Vielleicht fängst du besser noch einmal von vorn an, Jimmy.«
    »Gut.« Seine Stimme klang selbstbewußt. Zuversichtlich stürzte er sich wieder in den Anfang, und ich schloß die Augen, als er sich der verhängnisvollen Stelle näherte. Tam-te-ram-tam-tam-tam-tam,

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