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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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vermutlich das Äußerste, was er an Zärtlichkeit aufbringen konnte.
    Auf dem Rückweg zur Praxis dachte ich bedrückt darüber nach, was geschehen wäre, wenn ich das Gummiband nicht gefunden hätte. Unterbrechung der Blutzirkulation, Brand, Verlust des Beines oder sogar Tod.
    Drei Wochen später war Walt Barnett wieder am Telefon, und ich war beunruhigt, als ich seine Stimme hörte. Vielleicht war ich doch noch nicht aus dem Schneider.
    »Ist das Bein noch nicht in Ordnung?« fragte ich.
    »Doch, das ist verheilt. Jetzt ist irgendwas mit seinem Kopf los. Er hält ihn so komisch zur Seite. Kommen Sie her und sehen Sie es sich an.«
    Das klang nach einer Ohrenentzündung, und als ich ihn mit schiefem Kopf auf dem Schreibtisch sitzen sah, war ich sogar sicher. Aber die Ohren waren sauber und schmerzlos.
    Das Tier schien es zu lieben, untersucht zu werden, und das Schnurren wuchs zu einem Crescendo an, als ich nacheinander Zähne, Mund, Augen und Nase unter die Lupe nahm. Nichts. Aber irgend etwas verursachte ihm Unbehagen.
    Ich fing an, den Kopf und den Hals abzutasten, und an einer Stelle im Nacken wurde das Schnurren durch ein scharfes »Miau« unterbrochen.
    »Da ist etwas«, murmelte ich, nahm die Schere und begann, das Fell abzuschneiden. Als ich die Haut freigelegt hatte, glaubte ich nicht richtig zu sehen. Wieder war da ein kleiner querverlaufender Schnitt, genau wie vorher am Bein.
    Ich hielt die Wundränder auseinander und suchte mit der Pinzette. Nach ein paar Sekunden hatte ich das vertraute braune Band entdeckt. Ein Schnitt mit der Schere, und ich zog es heraus.
    »Wieder ein Gummiband«, sagte ich niedergeschlagen.
    »Um den Hals!«
    »Diesmal meinte jemand es ernst!«
    Er fuhr mit seinem dicken Finger die pelzige Flanke entlang, und der Kater streckte sich entzückt dagegen. »Wer tut so etwas?«
    Ich zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Die Polizei hat immer ein Auge auf Grausamkeiten, aber sie müßten schon jemanden in flagranti erwischen.«
    Ich wußte, daß er sich fragte, was wohl als nächstes kommen würde. Und das tat ich auch. Aber es gab keine Gummibänder mehr für Fred. Der Hals verheilte schnell, und ich sah das Tier fast ein Jahr lang nicht mehr.
    Als ich eines Morgens von einem Besuch zurückkam, sagte Helen: »Mr. Barnett hat gerade angerufen, Jim. Du möchtest gleich zu ihm kommen. Er glaubt, daß seine Katze vergiftet worden ist.«
    Also wieder ein neuer Anschlag auf das Tier! Ich war ziemlich durcheinander, als ich zu Walt Barnett ins Büro eilte.
    Ich fand einen sehr veränderten Fred vor. Der Kater saß nicht auf seinem alten Platz auf dem Schreibtisch, sondern hockte auf dem Fußboden auf einem Bogen Zeitungspapier. Als ich zu ihm ging, würgte er eine gelbe Flüssigkeit aufs Papier. Überall lag Erbrochenes und auch Durchfall von ähnlich gelber Farbe.
    Walt Barnett, der hochaufgerichtet auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch saß, sagte durch die hängende Zigarette hindurch: »Er ist vergiftet worden, nicht wahr? Jemand hat ihm was gegeben.«
    »Es wäre möglich...« Ich beobachtete, wie die Katze langsam zu einem Schälchen mit Milch kroch und hockend davor verharrte. Es konnte auch etwas Schlimmeres sein als Gift.
    »Ja, das ist es«, fuhr Walt Barnett fort. »Es hat wieder jemand versucht, ihn zu töten.«
    »Ich bin nicht sicher.« Als ich die Temperatur maß, war kein Schnurren mehr zu hören. Fred war völlig lethargisch.
    Die Temperatur war enorm hoch. Ich betastete den Bauch, fühlte die schlaffen Gedärme, das Fehlen der Muskelspannung.
    »Nun, was ist es?«
    »Es ist eine Darmentzündung. Ich bin fast sicher.«
    Er sah mich fragend an.
    »Manche Leute nennen es Katzenstaupe«, sagte ich. »Die Krankheit kursiert gerade in Darrowby. Ich habe letzthin mehrere Fälle gehabt, und Freds Symptome sind typisch.«
    Mr. Barnett stemmte sich hinter dem Schreibtisch hoch, ging zu der Katze hinüber und fuhr ihr mit dem Finger über den Rücken. »Nun, wenn es so ist – können Sie ihn heilen?«
    »Ich werde mein bestes tun, Mr. Barnett, aber die Sterblichkeitsrate ist sehr hoch.«
    »Sie meinen, die meisten sterben daran?«
    »Ja.«
    »Warum? Ich denke, ihr Burschen habt jetzt wunderbare neue Medizin?«
    »Ja, aber das ist ein Virus, und die sind gegen Antibiotika resistent.«
    »Na gut.« Keuchend richtete er sich wieder auf und ging zu seinem Stuhl zurück. »Was wollen Sie tun?«
    »Ich gebe ihm ein paar Spritzen«, sagte ich. Ich injizierte Fred ein Mittel gegen

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