Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht
Schleudern dabei, manche davon aus schimmerndem Silber getrieben, und andere aus schwarzem Eisen, und auch der eine oder andere war gesehen worden, der eine Schleuder aus feinstem Gold bei sich hatte, und wo die gewöhnlichen Holzschleudern der meisten Freier (darunter auch jene des Hirten) ihre Spannkraft aus den Sehnen von Schafen, Kühen oder Pferden erhielten, konnten die feinen Metallschleudern der hohen Herren auf die Kraft und Elastizität von Elefantensehnen zurückgreifen. Viele Freier hatten an diesem Tag schon ihr Glück versucht, und waren gescheitert. Denn obwohl fast allen von ihnen gelungen war, das langsam an der Laufbahn vorbei ziehende Herz zu treffen, schieden viele im zweiten Durchgang aus, als das Herz im munteren Tempo vorüber zog und der Schuss fehl ging. Niemand aber konnte im dritten Durchgang das Herz treffen, da es der König, der hinter einem Paravent an der Kurbel stand, in einem irrwitzigen Rasen über die Bühne huschen ließ, so dass es zwischen den beiden Vorhängen nur augenblickslang auftauchte. Es war Abend geworden und nur mehr einige wenige Knaben waren vor der Schießbude übrig geblieben, darunter auch der Hirte, der nun zitternd seinen Taler (er hatte keinen zweiten) in den Schlitz der großen Kasse fallen ließ und daraufhin die Schleuder spannte. Und siehe da: Er verfehlte schon beim ersten Mal und musste deshalb alle Hoffnung fahren lassen.
Als der Hirt nun wieder vor das Stadttor kam, sank er draußen auf den Boden und weinte bitterlich. Da hörte er plötzlich in der Dunkelheit ein kleines Hüsteln, und als er hoch blickte, stand da der Wolf. Er war größer geworden und schwarz, und der Hirt hätte ihn nicht erkannt, wenn er nicht so sanft und vornehm mit ihm gesprochen hätte wie am Morgen. Der Wolf sagte: Du wirst es dir vielleicht ausrechnen können, aber deine Schafherde hast du verloren. Ein Rudel Wölfe hat sie überfallen und bis auf das letzte Lämmchen gerissen. Ich konnte gerade noch flüchten und hierher laufen, um dir die Botschaft zu überbringen. Wo aber ist das Mägdelein? Ich bin gekommen, um mein Anrecht auf die erste Nacht mit ihr einzufordern. Danach werde ich euch beiden dienen und euch glücklich machen bis zu deinem Lebensende.
Der Hirte stand auf, tränenblind, und zeigte hoch zum Schloss und rief: Da oben ist sie, hinter tausend Mauern, eingekerkert durch ihren Herrn Vater, den König, der raffgierig ist und nicht viel mehr als ein Jahrmarktsgaukler. Hunderte von Freiern sind heute mit Flüchen und Verwünschungen von hier weg gegangen. Wenn sie wiederkehren, werden sie die Mauern des Schlosses schleifen und die Prinzessin mit sich nehmen und ich werde sie nie wiedersehen! Denn er hatte sich unsterblich in sie verliebt durch das Bildnis, das er den ganzen Tag lang betrachtet hatte.
Da sprach der Wolf: Du bist ein Hirte von Schafen, mein Lieber. Vergiss nicht, dass ich ein Wolf bin und weiß, was jetzt zu tun ist. Ich kann dir helfen und ich gebe dir drei Wünsche frei. Du kannst dir wünschen, was du willst, und ich werde dir diese Wünsche gerne erfüllen. Denn wir sind längst Freunde geworden, und ein Freund kann nicht glücklich sein, wenn sein Freund unglücklich ist.
Dann ist mein erster Wunsch, sagte der Hirte, dass sich noch heute Nacht zu meiner Liebsten komme.
Der Wunsch sei dir gewährt.
Und mein zweiter Wunsch ist der, dass die Prinzessin mit mir kommt und dass es uns gelingt, zu fliehen.
Das sind zwei Wünsche, wandte der Wolf ein, und ob die Prinzessin mit dir kommt, das kann sie allein bestimmen. Es wird darauf an kommen, ob sie dich ebenso liebt wie du sie liebst, mein Freund.
Das wird sie, ich fühle es sicher! rief der Hirte, weshalb mein zweiter Wunsch der ist, dass unsere Flucht gelingen möge.
Der Wunsch sei dir gewährt.
Und mein dritter Wunsch ist der, dass wir glücklich sein mögen bis an unser Lebensende.
Auch dieser Wunsch sei dir gewährt, Hirte, meinte der Wolf, jetzt aber müssen wir uns eilen, denn der Mond steht längst am Himmel und wir sind noch keinen Schritt weitergekommen.
Aber du? fragte der Hirte, nachdem du ja jetzt mein Freund geworden bist, Wolf, möchte ich dich fragen, was du im Austausch für den Freundschaftsdienst haben willst, den du mir leistest?
Über den Wunsch hinaus, den ich schon geäußert habe, hege ich keine weiteren Wünsche, sagte der Wolf.
Dann ist es gut, meinte der Hirte, aber er dachte bei sich: Es wird einen Weg geben, das zu verhindern. Denn der Gedanke, dass der Wolf
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