Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Ihnen erzählt hat, daß wir uns in diesem Zug befinden?“
Ich zuckte mit den Achseln und schaute zurück auf die Menge, die schon zurückwich, mit enttäuschten Mienen und Ausrufen, die wie Flüche klangen. Der stählerne Leib des Zuges hatte sich längst aus ihrer schweißigen Umklammerung gelöst und glitt unter einem Kreischen der Schienen aus dem Bahnhof.
Wir hatten es diesmal verabsäumt, ein separates Abteil zu reservieren, und mußten es deshalb hinnehmen, daß sich ein älterer Herr neben uns breit machte. Er war in Wien eingestiegen, hatte das Abteil jedoch erst nach Abfahrt des Zuges betreten. Er trug einen weißem Vollbart, Vatermörder und einen Frack, dessen Schneider offensichtlich in den fernen Untiefen der deutschen Provinz zuhause sein mußte, die schon vor unseren Fenster vorüberzog.
Ich bin des Deutschen nur leidlich mächtig. Man kann diese Sprache mit den Krach- und Zischlauten gut lesen, und wenn man ein bisschen Übung hat, kann man sie auch gut verstehen, aber keinem Menschen fremder Zunge ist es jemals gelungen, sie einigermaßen fehlerfrei zu sprechen. Um den Fluss dieser Erzählung nicht allzu sehr zu beeinträchtigen, möchte ich weitgehend darauf verzichten, mein Radebrechen in naturalistischer Darstellungsweise festzuhalten. Umso wichtiger ist es mir, darauf aufmerksam machen, daß Holmes mit dem alten Herrn von Anfang an fehlerfrei Deutsch sprach, und das sogar mit dem weichen, singenden Tonfall, der in der Donaumonarchie üblich ist. Es war das für mich eine große Überraschung, denn er hatte sich zumindest in meiner Anwesenheit in Budapest als Engländer gegeben, und das im schönsten viktorianischen Englisch. Er war mir nun, da er Deutsch sprach, völlig fremd. Es schien mir sogar, als ob sich seine Gesichtszüge ändern würden. Wieder wurde mir zu Bewusstsein gebracht, wie wenig ich eigentlich über den jüngeren Bruder meines Freundes wusste, und daß es nur die Ähnlichkeit zwischen den Brüdern war, die mir das Gefühl vermittelte, beide gleich zu kennen.
Eine weitere Überraschung war, die Zuvorkommenheit, mit der er den alten Herrn behandelte. Als erstes wechselte er mit ihm den Sitzplatz, was ungewöhnlich war, denn Voodoo kann es sonst nicht ertragen, gegen die Fahrtrichtung zu sitzen. Er bot ihm einen Sherry an, und es wurden erste unverfängliche Floskeln gewechselt, bevor sich der Mann, ein Professor Beckstein, dessen Stirn sich unvermittelt von Sorge umwölkt hatte, einen Ruck gab und direkt ins Zentrum der Sache zielte.
„ Verehrter Herr, es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß sich die Nachricht von Ihrem Zwischenhalt in Wien herumgesprochen hatte.“
„ Nein, das ist mir durchaus nicht entgangen“, sagte Holmes mit einem Lächeln.
„ Nun, gewissermaßen trägt meine Person die Schuld daran, daß es zu einem Aufruhr kam. Sie müssen wissen, daß es in Wien unmöglich ist, ein Geheimnis zu bewahren, weshalb schon das Wort eines kaiserlichen Geheimdienstes gewissermaßen ein Witz ist.“
„ Mit dem Sie in Verbindung stehen? Aber Sie sind doch Franke, nicht wahr?“
„ Ja, ich bin tatsächlich fränkischer Herkunft“, gestand der Professor, „das haben Sie sehr gut erkannt. Womit kein Hinweis darauf gegeben wurde, daß sich vor allem Franken dafür hergeben könnten, im Auftrag fremder Mächte gegen das Königtum Bayern zu spionieren.“
„ Und doch geben Sie vor, im Dienste Ihrer Majestät des Kaisers Franz Joseph II zu stehen?“ hakte Holmes nach.
Da richtete sich unser Gast im Sitz auf. „Tatsächlich ist es so. Und zum Beweis darf ich Ihnen diese Urkunde aushändigen.“
Mit diesen Worten öffnete er die Diplomatentasche, die er bislang unter dem rechten Arm festgeklemmt gehalten hatte und
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