Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Galizien österreichisches Territorium ist“, bemerkte unser Gast, der offenbar mehr darüber wusste, als mir angenehm war.
Holmes hatte sich unter diesen Worten zurückgelehnt und beobachtete seinen Besucher unter halbgesenkter Augenlidern. Dann blickte er aus dem Fenster, auf die hell erleuchtete Stadt Wien, deren breite Straßen, deren Prachtbauten, die vor uns vorüberschwenkten, und meinte: „Nun, es hat eine gewisse poetische Berechtigung, diese alten Geschichten aufzuwärmen, wenn Sie es wollen, und sei es nur, um Dr. Watson daran teilhaben zu lassen.“
Er machte eine Pause, als fiele es ihm schwer, davon zu reden. Ich sperrte die Ohren auf, denn ich wusste zwar von meinem Freund Sherlock, daß sein jüngerer Bruder nur ein Halbbruder war, den er selbst erst sehr spät kennen gelernt hatte, doch er hatte die Sache auf Andeutungen beruhen lassen.
„ Es wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, daß ich Ihre Sprache spreche ...“, begann Holmes.
„ Und das mit so großer Kunstfertigkeit, daß ich Ihnen mein höchstes Kompliment aussprechen muß!“ rief Professor Beckstein, der sich in seinem Sitz vorgebeugt hatte und mit allen Fasern an den Lippen meines Freundes hing.
Holmes verrät ein Familiengeheimnis
„ Mein Vater Moishe war ein Weltenbummler“, fuhr Holmes fort, nachdem er seinen Sherry gekippt hatte und während er sich eine neue Zigarre ansteckte. „Er stammte aus einem kleinen Dorf in Wolhynien. Seine Familie war nach einem Pogrom, wie es in diesen ländlichen Bereichen öfter vorkommt, vertrieben worden, über lange Wege nach Westeuropa gelangt und zuletzt bis nach England gekommen, wo sie schließlich neuerlich sesshaft werden konnte. Es gab eine lange Familientradition fahrender Händler, mein Vater war der erste, der nahe der Kensington Station ein Pfandleihgeschäft eröffnete, das in den ersten Jahren auch überaus erfolgreich war. Er heiratete schon als junger Mann eine Irin, wie sie im Buche steht, tatkräftig und unbeirrbar, sommersprossig und mit roten Haaren. Aus dieser Ehe stammen meine Halbbrüder Mycroft und Sherlock. Der ältere hat sehr viel von seiner Mutter, er ist ein Ire bis ins Mark. In seiner Jugend hielt er sich auf den Schlachtfeldern der Krone auf, im besten Mannesalter trat er in den Staatsdienst, wo er heute eine hohe Stellung bekleidet. Sherlock hingegen hat die wesentlichen Tugenden seines Vaters geerbt, er ist unstet und ein Einzelgänger, dabei aber fleißig, beständig und sehr methodisch in allem, was er sich vorgenommen hat. Die erste Ehe meines Vaters mußte scheitern, er dachte logisch und nüchtern bis zur Herzlosigkeit, während seine Ginnie nur Herz war. Tagsüber half sie im Geschäft mit, abends aber wollte sie Spaß haben, sang und tanzte gerne und so war es absehbar, daß sie meinem Vater eines Tages die Ehe aufkündigte. Dieser war darüber so betroffen, und aus der Bahn geworfen, daß er unfähig war, sein eigenes Leben fortzusetzen. Er war kein Selbstmörder, sondern einer, der von einem Tag auf den anderen alles hinwirft, um ein neues Leben zu beginnen. Anders konnte er seine Frau nicht vergessen. Es gab Cousins, die nach Amerika ausgewandert waren, und denen wollte er nach. Da aber gerade kein Schiff nach New York auslief, heuerte er auf einem Baumwolldampfer an, der nach Virginia unterwegs war. Auf den Bahamas wurde Zwischenstation gemacht, und dort lernte mein Vater meine Mutter kennen, ein afrikanisches Mädchen, dem die Flucht von einem dieser unsäglichen Sklavensegler gelungen war, die auf den Bahamas anlandeten, um dort Frischwasser zu schöpfen. Mein Vater war auf der Überfahrt vom Schiffsmaat so gequält worden, daß er die
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