Voodoo Holmes Romane (German Edition)
festhalten. Diese Beschwerden nahmen zu, wenn ich vom Hotel her in die Wohnung meines Vaters kam – übernachten konnte ich dort nicht, das spürte ich – und ließ wieder nach, wenn ich es verlassen hatte. Und trotzdem merkte ich, daß dieses Gift auch meine eigenen Nerven schon zu lähmen begann. So hatte ich bemerkt, daß ich selbst schon beim Lesen der Zeitung oder zwischendurch, wenn ich mit einem Tischnachbarn im Hotel sprach, zu züngeln. Ich hatte gemerkt, daß ich dann, wenn ich aufgedeckt geschlafen hatte und es in der Nacht kalt gewesen war, steif wurde wie ein Kaltblütler. Aber es dauerte noch einige Tage, bis ich wirklich begriff, was vor sich ging. Es war an jenem Tag, an dem mein Vater, als ich in die Wohnung kam, mit einem bedrohlichen Zischen auf mich zu kroch und ich ihn nur mehr mit einem schweren Folianten – ich glaube, es war ein Band von Schopenhauers Gesammelte Werken – den ich ihm direkt auf den Kopf schmetterte, zur Räson bringen konnte. Während er ohnmächtig vor mir lag, baute ich den Schrankaltar ab, hüllte den Schlangenkopf (der übrigens übel stank, weshalb man auch von einer Vergiftung sprechen könnte) in einen Sack und warf ihn nach kurzem Gang voller Schwung von einer Brücke hinab in die Donau. In dem Moment, als ich den Sack in den Fluten versinken sah, wurde mir leicht, eine innerliche Befreiung. Als ich in die Wohnung zurückkehrte, schlief mein Vater tief und fest. Sein Schlaf dauerte sieben Tage, und ich hatte schon Angst, daß ich ihm eine Gehirnerschütterung verpasst hatte, doch als er erwachte, war er geistig klar, konnte sich aber an nichts mehr erinnern. Er erwähnte noch öfters, es sei ein Alpdruck von ihm gewichen, bald aber sprachen wir nicht mehr darüber.“
Nach dem Ende dieser Geschichte schwiegen wir eine Weile, während Holmes aufstand und seinen Mantel nahm, um sich in ihn einzuhüllen. Er fror, vielleicht auch wegen der späten Stunde.
„ Es könnte eine Vergiftung gewesen sein, und das Gift baute sich in den Tagen seiner Bewusstlosigkeit ab“, meinte ich auf Englisch, um meinen Freund zu trösten.
Holmes schwieg und schaute uns an. Er schien erschöpft, zufrieden und erleichtert, mir diese Geschichte gebeichtet zu haben, von der ich bis zu diesem Tag nicht die geringste Ahnung gehabt hatte.
„ Oder der Schlag auf den Kopf brachte irgendetwas in seinem Kopf wieder in Ordnung, ermöglichte eine Heilung“, fuhr ich fort. Ich warf einen Blick, der Zustimmung heischte, an Professor Beckstein, der aber offenbar kein Englisch verstand und nach einem kurzen Rülpsen oder Seufzen schweigend und blass da saß. Ich bemerkte mit Grauen, daß seine Lippen blutverschmiert waren. Ja, es war Schwindsucht, er litt an Tuberkulose. Wahrscheinlich aß er deshalb so gern und schlang so gierig. Es war ungewöhnlich für einen alten Menschen, mehr als die Hälfte unseres üppigen Mahls zu verdrücken. Die Diagnose erklärte auch, warum seine Augen fiebrig glänzten. Ich hatte es für Leidenschaft oder gar Besessenheit gehalten, aber wahrscheinlich war es einfach eine Infektion der Lunge mit Tuberkelbazillen, die ihn quälte.
Der Patient las mir meine Gedanken vom Gesicht ab, wischte sich den Mund ab, straffte sich und sagte dann: „Merken Sie nicht, junger Mann, was da vorgegangen ist? Es war die Rose, es war ein Voodoo-Zauber!“
Holmes sagte keine Ton, aber er schien halb beunruhigt, halb amüsiert über den alten Mann. Dieser wollte noch weiter sprechen, doch schon mußte er einen erneuten Hustenstoß unterdrücken, stand dann abrupt auf und verließ unter einem Murmeln fluchtartig das Abteil.
Ich blieb alleine mit Holmes zurück. „Sie haben mir nie etwas davon erzählt“, sagte ich.
Er zuckte mit den Achseln.
„ Holmes, Sie müssen nun zugeben, daß dieses Symbol der Rose uns beinahe
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