Voodoo Holmes Romane (German Edition)
ließ mich von Privatlehrern erziehen. Als Rassenmischling sah ich keine große Zukunft für mich in deutschen Landen. Außerdem hatte sich der Zustand meines Vaters vorübergehend so dramatisch verschlechtert, daß ich nach England geschickt werden sollte, wo es noch Familie gab. Und das war dann die erste Frau meines Vaters, Ginnie Holmes, die das Pfandleihgeschäft in der Nähe der Kensington Station längst mit einem Pub vertauscht hatte, der übrigens blendende Einkünfte erbrachte. Dort lernte ich meine Brüder kennen. Ich wurde in Eton erzogen und blieb in England bis zu meiner Volljährigkeit. Meinen Vater hatte ich eigentlich schon fast vergessen, als mich ein Brief eines seiner Freunde ereilte. Der geistige Verfall meines Vaters sei immer weiter fortgeschritten, und erfordere meine sofortige und tatkräftige Hilfe. Als ich in Wien ankam, machte ich die Entdeckung, daß mein Vater in seinem persönlichen Schrank einen Schrein aufgebaut hatte, dessen Herzstück der Kopf jener Schlange bildete, in deren Inneren ich all die Jahre zuvor aufgefunden worden war. Mein Vater hatte im Laufe der Jahre gedanklich und gefühlsmäßig diese Schlange mit dem Bild meiner Mutter verschmolzen, was ja nicht ganz falsch war. Immerhin hatte die Schlange meine Mutter berührt, war ihr die einzige Freundin in der Not gewesen und hatte auf unerklärliche Weise während des Brandes im Museum ihr Neugeborenes schützend im Leib geborgen. Meine Mutter war als menschliches Wesen der Feuerhölle zum Opfer gefallen, und hatte der Schlange, der man in manchen Kulturen eine besondere Widerstandskraft zuschreibt, ihr Kind zum Schutz übergeben. Andererseits ist das Faktum, das mich die Schlange schluckte, ein Zwiespältiges. Das sichtlich ausgehungerte Tier mochte den kleinen, reglosen Körper nach der Geburt zwischen Flammen und Rauch bloß als leckere Speise begriffen haben und hätte mich zweifellos verdaut, wenn mich nicht der beherzte Hieb eines Feuerwehrmannes befreit hätte. Oder sie wollte es schützen, denn schließlich war diese Schlange angeblich das Wappentier meines afrikanischen Stammes, und hatte meiner Familie über viele Generationen Kraft verliehen. Warum also nicht auch mir?
Dann gab es Stimmen, die behaupteten, meine Mutter habe sich in der Feuernot in eine Schlange verwandelt, und das Kennzeichen unserer Familie sei vom Anfang der Zeit an jenes gewesen, einmal in Gestalt einer Schlange, dann wieder in Gestalt von Menschen aufzutreten. Ein Hinweis in diese Richtung war die Tatsache, daß man nach dem Brand keine Menschenleiche gefunden hatte, ein weiterer die Aussage des Museumsdieners, die schwangere Negerin sei kein Mensch, sondern eine Gliederpuppe gewesen. Als dritten Hinweis kann man werten, daß ich als Neugeborenes voller Schuppen gewesen war wie ein Schlangenmensch. Man kann verstehen, daß mein Vater, der meine Mutter immer noch abgöttisch liebte, die Version, sie sei unsterblich und könne einmal die Gestalt einer Schlange, dann wieder eines Menschen annehmen, die Liebste war. Er glaubte, die Schlange sei von Anfang an nicht Begleiter, sondern Teil meiner Mutter gewesen und gewissermaßen sie selbst. So habe er in manchen intimen Situationen eine schlangenhafte Empfindung gehabt, gestand er mir einmal. Ein anderes Mal habe er sich mit meiner Mutter gestritten, und sie habe geschrieen und dabei sei ihr Schädel zum Schlangenhaupt mutiert. Außerdem, fragte mein Vater, wie konnte es sein, daß die Schlange immer und überall um meine Mutter herum gewesen war, und daß sie von Anfang an als Haustier durch alle Irrfahrten die Mutter unversehrt begleitet hatte? Manchmal konnte man die
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