Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Halbgötter und mystischer Gestalten wie den tragischen Ludwig von Bayern, den Märchenkönig, oder den Habsburgerprinzen Ludwig Salvator, den Weltumsegler. Sissi war die Klammer, die diese Ausnahmenaturen verband, und überstrahlte sie noch. Wo sie auftauchte, wurde sie vom Volk wie eine Marienerscheinung begafft und mit halb religiöser, halb blöder Verzückung als Höhepunkt des Lebens aufgenommen. Sie beschäftigte die Gehirne der Menschen wie eine Naturgöttin, der man nur in entrückten Situationen, in Vollmondnächten auf entlegenen Felsen huldigen kann. Und nun geriet ich mitten ins Geschehen, wurde in diese Welt gespült und konnte förmlich ihr Geheimnis atmen. Ich hatte gehört, daß Elisabeth einen Gutteil des Jahres an der Riviera oder auf Mallorca verbrachte, aber auch in den Metropolen Europas. Daß sie so regelmäßig nach Bamberg, eine fränkische Kleinstadt kam, und das im November, war mir völlig neu. War es möglich, daß sie verwickelt in den Mord an einem Dienstmädchen sein konnte, das in Gestalt und Gesicht Ähnlichkeit mit ihrer Herrin aufwies und noch dazu ihre Kleider trug? Ihr Aufenthalt konnte in keinem Zusammenhang mit den Wagner’schen Festspielen stehen, die im Sommer aus nah und fern Menschen in die fränkische Landschaft ziehen, sondern höchstens mit der Strahlkraft der alten Bischofsstadt selbst, der pseudo-vatikanischen Stadt um den prächtigen Dom Heinrichs herum, dieser Manifestation katholischer Selbstvergewisserung in unseren Tagen, so die Vermutung Professor Becksteins. Daß die ehemalige bayerische Prinzessin katholisch war, wusste ich wohl, aber warum sie nach Bamberg fuhr, konnte ich nicht ganz erkennen, denn die Stadt gehörte nicht zu den Wallfahrtsorten wie Altötting, oder Gößweinstein, kleinere mit prächtigen Basiliken geschmückte Tupfen dieser prächtigen Landstriche. Aber daß ein Geheimnis die rastlose, weltläufige „Gräfin von Hohenems“ alljährlich dorthin lockte, das reichte mir, um elektrisiert den Gesandten Bambergs anzustarren, der in Wien in den Orientexpress gestiegen war, und das im höchsten Auftrag – des Ehemannes!
Der offizielle Untersuchungsbericht der Königlichen Bayerischen Kommission lag ein Jahr nach Abschluss der Ermittlungen eigentlich noch nicht vor, doch es war Professor Beckstein gelungen, einen Entwurf in die Hände zu bekommen. Man erfuhr in dem Bericht wenig Neues. Es war da ein Protokoll der Vorfälle des Morgens des 11. November, der Vernehmung der Beteiligten und die üblichen Spitzelberichte, wer in den Tagen zuvor angereist und danach mit dem Zug aus der Stadt abgereist war, jüdische Händler aus den Ostgebieten, Wolhynien, Galizien und sogar dem Zarenreich, bayerische Staatsräte auf Dienstfahrt, Hochzeitsreisende aus Pommern oder dem Rheinland, die hier in der Stadt Station machten, um den berühmten Reiter zu sehen, einer Sockelfigur im Dom, die aus dem 12. Jahrhundert stammt und die Menschen vor allem deshalb fasziniert, weil man daran erkennen kann, wie Menschen früher zu Pferde gesessen haben, samt allen Details von Zügeln und Gurten und Reitstiefeln. Dann war da der Obduktionsbericht der Leiche, einer gewissen Mirja Slavica, einer 34jährigen Frau mit slawischen Gesichtszügen, einer Serbin mit straffem, muskulösem Körperbau. Sie hatte dunkles, langes Haar, erhaltene, gepflegte Zähne, als weitere Charakteristika zwei Tätowierungen: Eine Schlange im Bereich der rechten Pobacke, und eine Mondsichel über dem linken Schulterblatt, dem Einstich, der sie das Leben gekostet hatte, gegenüber.
Hier war ein Beiblatt eingefügt bezüglich
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