Voodoo Holmes Romane (German Edition)
sich bald eine Runde von Neugierigen um Holmes, und jeder hatte, was den Fall der „Rosentoten“ betraf, etwas zum Gespräch beizusteuern. Alle waren informiert, und es gab einige, die mit großer Gewissheit die Überzeugung vertraten, es seien fremde Mächte oder dunkle Elemente am Werk gewesen. Damit gemeint waren auch ausländische Staatsbürger mit einer liberalen Gesinnung, weshalb ich mich während der ganzen Zeit darauf beschränkte, zu nicken, zu lachen oder einen Schluck Bier zu nehmen. Holmes aber hatte aufgrund seiner Sprachbegabung sehr rasch die Herzen der Männer gewonnen. Das meiste, was sie uns unter dem Siegel des Schweigens anvertrauten, war wertlos. Die einen meinten, eine Frau habe zu einer solchen Nachtzeit prinzipiell nichts auf der Straße zu suchen, und wenn sie dazu noch so provozierend gekleidet sei, könne es keinen verwundern, wenn ihr ein Unheil geschehe. Man nannte das hier einen „Liebeshandel“, eine Meinungsverschiedenheit zwischen Frau und Mann, die dann vom Liebhaber mit einem Dolchstoß entschieden worden sei. Andere hielten die Ansicht, dass Mirja eine Lebedame gewesen sei, die Unzucht oder Wucher getrieben habe. Auch hier hieß es, wenn einer Selbstjustiz angewandt habe, dann sei das bedauerlich. Völlig unschuldig aber wäre „so eine Slawin“ nie.
Die einzige brauchbare Information kam von einem gemütlichen Herrn, der sich als der „Stoffel“ vorstellte und recht starken Dialekt sprach, weshalb ich hier nur summarisch wiedergeben kann, was er uns berichtete. Vielleicht sind mir einige Feinheiten seiner Darstellung entgangen. Holmes fragte ihn nach der Lugbank, wo die Tote gefunden worden war, und die ersten Sätze vergingen dabei über die etymologische Frage, ob dieses Wort nun etwas mit Lüge oder mit Lugen, also Ausblick zu tun habe. Bald aber erzählte uns der „Stoffel“, ein kräftig gebauter, rundgesichtiger Fünfziger mit eindrucksvollem Schnurrbart, daß die Lugbank so etwas wie die Hexengasse von Bamberg sei. Hier hätte man Jahr für Jahr die Hexen vom Hochgericht zum Richtplatz getrieben, und das Volk, das sie auf dem Weg erwartete, habe den Hexenzug dabei regelmäßig mit Wurfgeschossen, Fäusten und Flüchen traktiert, sodaß manchmal das Blut in der Gasse geschwommen habe. Deshalb sei es denkwürdig, daß dort in der Lugbank im vorigen Jahr ein Mord passiert sei. Eine junge Dame sei dort erdolcht aufgefunden worden, und das vor dem Haus, das einmal ein Freudenhaus gewesen war vor langer Zeit, wie man an seiner Fassade noch ablesen könne. Dort sei nämlich eine Rose angebracht.
„ Und was bedeutet das?“ fragte Holmes mit ungerührter Miene, der mit keinem Wort erwähnt hatte, daß uns gerade diese Blume in die Stadt gelockt hatte.
„ Es gab früher keine Hausnummern bei uns“, sagte der Stoffel, „sondern Zeichen. Wenn die Post kam, dann hat man eine Rose auf das Kuvert gemalt, und dann wusste der Briefträger, das geht ins Rosenhaus. Und wenn es das Schwanenhaus war, malte man eben einen Schwan drauf. Das war damals im Mittelalter so, als die Menschen noch nicht lesen konnten, nicht einmal Zahlen.“
„ Aber es konnte die Rose auch heißen, hier ist ein Freudenhaus“, sagte Holmes.
Der Stoffel nickte. „Wenn einer Schuster war, dann hat er Schuhe auf das Haus gemalt, und wenn einer Wirt war, einen Ochsen oder einen Hirschen, je nachdem, was es dort Besonderes zu essen gab. Und wenn man eine Rose darauf malte, dann deshalb, weil es dort Frauen gab, die ihre Rosen herzeigten, ihren Mons veneris, den Venushügel, wie man heute gerne sagt, nicht wahr.“
Schon hatte sich Nachtnebel über die Stadt gesenkt, während wir auf der Suche nach einem Hotel eine Weile durch die Straßen irrten und dabei an den Ludwigkanal mit dem
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