Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Verwaltungsgebäude der Kirche standen. Beim sogenannten Torschneider verließ man dann den kleinen, von einer Burgmauer umfriedeten Kirchenstaat und fand sich einer der Kirchen gegenüber, die das sogenannte Kirchenkreuz bildeten. Rechts hinab ging es an einem Gymnasium vorbei, in dem wir das von Professor Beckstein genannte Aufseesianum erkannten.
„ Guck an“, meinte Holmes, „unser Freund arbeitet in unmittelbarer Nähe des Doms, fast am Fuße des Rosengartens. Man kann sich vorstellen, daß diese geographische Nähe auch eine gefühlte Annäherung bewirkt. Ich frage mich bereits, ob es nicht besser wäre, unsere Nachforschungen unbegleitet und noch einmal ganz von vorne zu beginnen. Es ist manchmal ein Fehler, zuviel über eine Sache wissen zu wollen. Ich glaube, diesen Vorwurf darf man unserem Gastgeber machen.“
Durch eine schmale Gasse gelangten wir einen neuen kleinen Tempelbezirk hinauf, dessen Mauern das sogenannte Bürgerspital bildete. Es umgab einen großen Innenhof, der zu der weiteren, prächtigen Kirche führte, die wir vom Rosengarten aus gesehen hatten. Bevor wir uns beim Pförtner vorstellen, gingen wir unwillkürlich auf diese zu und kletterten die Freitreppe hoch. Diese ehemalige Klosterkirche, die dem Erzengel Michael geweiht war, stand dem Dom an Größe und Ausstattung nur wenig nach. Ihr Inneres, das durch zahlreiche Seitenaltäre auffiel, trug reichhaltigen barocken Schmuck und die Decke leuchtete farbig von einer Vielzahl von Pflanzen. Nachdem wir uns kurz umgesehen hatten, baten wir an einer Seitenpforte um Einlass und fanden nach wenigen Erkundigungen den Krankensaal, in dem man Professor Beckstein untergebracht hatte. Es war ein riesiger, kahler Raum, in dem der Patient alleine in einem winzigen Bettchen gesteckt worden war. Offenbar wollte man ihn aufgrund der Ansteckungsgefahr isolieren, der Effekt aber war der einer Totenkammer, wozu auch die gefalteten Händen und das wachsbleiche Gesicht gehörte. Er schien zu schlafen, als wir uns im flackernden Schein der Kerzen näherten, und es war draußen mittlerweile so dunkel geworden, daß der leichte Luftzug, der in dem Raum herrschte, und das Flackern den Eindruck erweckten, alles bewege sich und sei beseelt. Anders kann ich mir die Stimmung nicht erklären, die mich befiel. Von Angst zu sprechen wäre vielleicht übertrieben, es war eine gewisse Beunruhigung und Beklommenheit. Kaum hatte ich den Saal betreten, wollte ich ihn am Liebsten schon wieder verlassen.
„ Er schläft“, flüsterte ich Holmes zu und bedeutete ihm, umzukehren. Er aber ging schnurstracks auf den reglosen Körper zu, und klatschte dann einige Male in die Hände wie ein ungeduldiger Gast, der nach der Bedienung ruft. Der Donnerhall, den er in dem kahlen Raum damit auslöste, tat auch prompt seine Wirkung. Er hätte damit Tote wecken können, und vielleicht gelang es ihm ja auch, denn schon schlug Professor Beckstein ein Auge auf. Ja, es war ein Auge, und der Effekt war sehr kurios. Dieses Auge wirkte böse, und dazu passte auch noch etwas in dem Gesicht, ein kleines Verziehen des Mundwinkels und der abwartende Gesichtsausdruck, der etwas Verschlagenes hatte, als sähe er hinter unseren Häuptern eine große Gefahr und warte nur darauf, daß sie uns vernichte. Es war eine Anwesenheit in dem Raum. Der Einfachheit halber nenne ich ihn einen Dämon. Vielleicht sollte man auch von Kälte und Grabesgeruch sprechen, der in dergleichen altem Gemäuer häufiger festzustellen ist. Und etwas davon war in die schwache, sterbliche Hülle des Greises zu stecken, der nach dem Blutsturz bleich und entkräftet vor uns unter Laken lag.
„ Verehrter Herr Professor“,
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