Voodoo Holmes Romane (German Edition)
wichtigsten Jakobswege führte, der Kunigundenweg, ein heiliger Pfad, der seit Urzeiten zwischen den Besiedlungen angelegt wurde und von ihnen unberührt nach Westen führt zum sogenannten Kunigundenstein, der nur eine Tagesreise von Rothenburg ob der Tauber liegt“.
„ Und der Besitzer dieses Palais muß einer gewesen sein, der in Santiago di Compostela war, von dort nach Vergebung seiner Sünden hierher zurückkehrte und diesen Prunkpalast errichtete. Vielleicht war es ein Hexer?“
„ Oder einer seiner Vorfahren“, gab Holmes zu bedenken, „das Haus ist höchstens zweihundert Jahre alt.“
Holmes wandte sich um, um zum Rosenhaus zurückzukehren, denn es gab keine weiteren symbolischen Hausbezeichnungen in dieser Straße. Kaum waren wir durch die Lugbank geschritten, wandten wir uns nach rechts zum Pfahlplätzchen hin. Dort war ein weiteres Palais zu bestaunen. Holmes holte zu der Gelegenheit eine Postkarte aus der Tasche, auf der eine Lithographie des sogenannten Bamberger Reiters aus dem Dom zu sehen war, vor dem sich noch vor wenigen Stunden unser Gastgeber blutend auf dem Boden gewunden hatte.
„ Was fällt Ihnen daran auf, Watson?“ fragte er mich.
Ich starrte eine Weile auf das Blatt, das eine naturgetreue Abbildung des Reiters zeigte, die ich vor wenigen Stunden schon im Original gemustert hatte. Mir fiel abgesehen davon, daß es ein eindrucksvolles bildhauerisches Werk war, nichts weiter auf.
„ Schauen Sie sich den Sockel des Reiters an.“
Jetzt sah ich, was er meinte. Rechts unter der Statue gab es einen viereckigen sockelartigen Abschnitt in Gestalt eines Pflanzenhauptes, ein Dämon, der nach rechts unten starrte. Was sollte so etwas in einem Gotteshaus? fragte ich mich unwillkürlich. Und nun, als ich auf das Bürgerhaus am Pfahlplätzchen schaute, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Dieser Dämon existierte als Verzierung auch auf dieser Barockfassade! Ein recht getreues Abbild war ganz links in halber Höhe zu erkennen. Nach rechts fortschreitend verlor dieses Antlitz immer mehr seine waldschratartigen Züge und wurde zu einem jungen Edelmann. Interessant daran war der Übergang, der in der Mitte den Eindruck eines zwischen Pflanze und Mensch changierenden Wesens schuf, das wie ein Löwe aussah.
„ Das ist allerdings verblüffend“, stammelte ich.
„ Sie merken, Watson, in dieser fränkischen Stadt, die zu den ältesten und wichtigsten Städten des deutschen Reichs zählt, herrscht ein Plan, ein Grundriss, der schon heute Nachmittag evident war, als wir vom Turm des Doms in die Landschaft blickten“, sagte Holmes, „Es liegt an uns, diesen Plan und vor allem seinen Sinn, zu verstehen. Eine Interpretation wäre folgende. Sie finden hier am Pfahlplätzchen den Gegensatz zur Karolinenstrasse. Man könnte ihn den männlichen Anteil nennen. Der Löwe würde dann die Manneskraft versinnbildlichen, ebenso wie der wilde Mensch, der die Vorstufe des zivilisierten Menschen wäre. Und wie nennt man doch gleich mal die Kraft, die aus einem alpenländischen Wurzelsepp einen englischen Gentleman macht, Watson?“
„ Frauen“, sagte ich niedergedrückt.
„ So ist es. Ohne Frauen sind wir Affen. Und nun beachten Sie das Ensemble: In der Mitte sitzt die Rose. Sie ist der Nabel des Ganzen, der Nabel der irdischen Welt. Und kennen Sie den geistlichen Nabel?“
Ich schüttelte den Kopf.
„ Jerusalem. Erinnern Sie sich an die Worte Professor Becksteins. Er sprach von einem Kirchenkreuz. Wir haben hier einen Rosenhaken gefunden, der aus drei aufeinanderstoßenden Straßen besteht. Auch das mag Zufall sein, oder ein Zeichen. Interessant bleibt aber, daß der Mord vom Vorjahr in der Mitte dieses Hakens geschah.“
Das mußte ich
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