Voodoo Holmes Romane (German Edition)
die Fahnen, und auch im Kreis der Dienstboten und Fischer war ein etwas bemerkbar, das unser Gastgeber als „lächerliches Aufflackern des leidigen Aberglaubens in diesen Breiten“ bezeichnete, nämlich die Überzeugung, Gewitter vermöchten im Menschen Gewaltpotentiale freizusetzen. Der Fama zufolge seien auch die Schwertreiterattacken zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Himmel schwarz wie Pech gewesen sei und es aus Kannen gegossen habe. In meiner Beobachtung sprach dafür wenig, schließlich hatte es seit unserer Ankunft oft geregnet, das aber mit friedlichem, beinahe einschläferndem Charakter. Andererseits konnte ich mich der Drohhaltung, die von den wachsenden Schwertreiterformationen und ihrer Schwärze ausging, schwerlich entziehen, zu eindeutig schienen die Augenblicksaufnahmen eines galoppierenden Pferdes, auf dem geduckt ein stürmender Reiter saß.
Auch unsere Gastgeberin war in den letzten Tagen zunehmend gereizt, und es war unklar, ob diese Gereiztheit auf Angst oder Langeweile beruhte. Ich kann nicht sagen, wo die Anspannung herkam und muß gestehen, daß mich eines Abends beim Dinner ein böser Verdacht befiel, der mir zugleich auch erklärte, warum Lord Cumberton-Shoyle immer eifersüchtiger auf den jungen Holmes zu sein schien und heute wieder das Gespräch auf den Fall mit der Mumie gebracht hatte, von dem er alle Einzelheiten zu kennen schien. Er erkundigte sich nach der Art und Weise, mit der die einzelnen Bewohner der Essex Road ihr Schicksal erlitten hatten. Er ging die Todesfälle durch wie ein Mörder, der zum Ort seines Verbrechens zurückkehrt, und mir wurde richtig unheimlich bei der Frage, ob es denn stimme, daß Holmes mit der Tierpräparatorin ein Verhältnis gehabt habe. Der Gedanke war abwegig, und quälte mich doch, obwohl ich nicht den geringsten Hinweis darauf hatte, daß es so gewesen war. Außerdem wusste ich, was nun kommen würde. Seine Lordschaft würde ihn fragen, ob er eine Frau wie Lady Cumberton attraktiv fände. Und er würde Anspielungen über Holmes’ Jugend und die Kraft seiner Lenden machen. All das war unerträglich, aber in letzter Zeit verging kein Abend, an dem das Thema bei Tisch in diese Richtung ausgewalzt wurde. Und es war in diesem anschwellenden Moment in der Konversation, in dem mir meine Serviette von den Beinen rutschte und mein Blick unter dem Tisch etwas gewärtigte, das obszön war wie der Biss einer Schlange. Ein Schauder von Scham und Empörung erfasste mich. Ich beobachtete nämlich, daß unsere Gastgeberin keine Strümpfe trug und sogar ihren rechten Schuh abgelegt hatte. Und nun kommt es: Ihr nackter Fuß ruhte, und das mochte schon eine ganze Weile so gewesen sein, auf Holmes’ Stiefel! Und dazu schwieg sie, und alle schwiegen, und niemand wusste es, außer Holmes. Ich war empört, mir wurde heiß, und mir brach der Schweiß darüber aus, was hier vorging. Es durfte nicht sein, ich konnte es mir gar nicht vorstellen, daß hier ein junges Ehepaar in dieser Art und Weise seine Gäste missbrauchte, und warum Holmes bei diesem perfiden Spiel Partei war! Mein Entsetzen war es nun, daß die angespannte Stille durchbrach, denn ich begann zu husten. Ich hatte mich an meinem Speichel verschluckt und prustete, krächzte und konnte mich fast nicht mehr beruhigen. Kaum hatte ich damit begonnen, verschwand blitzschnell das Füßchen der jungen Frau vom Stiefel meines Freundes, der sich sofort mir zuwandte und mir auf den Rücken klopfte.
Nachdem ich mich langsam wieder eingekriegt hatte, sagte Elin, die über der Tischplatte die Konversation fortsetzte, mit einem reizenden Lächeln: „Mr. Holmes, Sie sind mir noch eine Erklärung schuldig.“
„ Wofür könnte die sein?“ fragte
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