Voodoo Holmes Romane (German Edition)
daß kein Kleidungsstück verbleibt“, regte sich noch Widerstand in der Bemerkung: „In dem Fall könnte ich doch meinen Hut aufbehalten, nicht wahr?“, aber sie war dann ganz lammfromm, ließ sich inspizieren, perkutieren und auskultieren, hüstelte, wenn man sie dazu aufforderte, antwortete auf die meisten Fragen mit „Nein“ und schien, während meine Finger ihren Körper absuchten, mit den Gedanken ganz woanders. Zuletzt gab ich ihr einen Klaps wie einem gutmütigen Gaul, der sich widerstandslos beschlagen lässt, und als sie hochsprang und fragte: „Kann ich mich anziehen?“ hüstelte ich erst mal und nickte dann stumm.
„ Haben Sie etwas gefunden?“
„ Nein. Sie sind gesund wie der frische Morgen.“
Obwohl sie von meinen Worten und der Befangenheit, mit der ich vor ihr stand, errötet war, schien sie enttäuscht. „Und warum fühle ich mich dann so – fatigué?
„ Nun, das ist eine Zeiterscheinung“, brachte ich hüstelnd hervor, „man nennt es auch Mode.“
Ich wünschte insgeheim, sie möge endlich hinter den Paravent zurückkehren, als unbekleidet vor mir zu stehen, sie aber stemmte die Hände in die Hüften und stand breitbeinig vor mir.
„ Ich habe gar keinen Sinn für Mode, Herr Doktor“, sagte sie dann. Sie hatte große Augen und stand mir so nahe, daß ich das Weiten ihrer Nasenflügel sehen konnte. Dann stieß sie einen belustigten Ton aus und verschwand hinter dem Schirm.
Ja, lieber Leser, sie hatte in dem angedeuteten Bereich eine Locke. Es war dort mit Hilfe eines Rasierers ein perfektes Dreieck hergestellt worden, über dem dunkler und geringelt diese Locke als Modeaccessoire gekräuselt worden war, womöglich mit Hilfe eines Lockenstabes.
„ Nebenbei, Doktor“, fragte sie mich abrupt, „nun, da ich hier das heiße Wasser sehe, hätten Sie vielleicht eine Rasierklinge bei der Hand?“
„ Aber Mylady, um Himmels Willen ...“
„ Nein, ach Gott, ich dachte, Sie könnten Blut sehen! Nein, es ist wegen dieses Schnörkels hier. Ja, gut, ist das Ihr Rasierzeug?“
„ Nein, das gehört Holmes.“
„ Umso besser.“
Ich hörte, wie sie den Fuß auf ein Bänkchen stellte und vernahm währenddessen das flutschende Wischgeräusch eines Pinsels und einer Seife. Ich merkte, daß ich benommen wurde und setzte mich, um gegen den Schwindel anzukämpfen. Ich war der Situation nicht gewachsen. Daß sie nun aber spontan oder auf Veranlassung den Plan, den Holmes geschmiedet hatte, durchführte, schien mir teuflisch zu sein. Es war, als befände ich mich in einer Mangel. Alles spitzte sich zu: Der Wind, der zum Sturm geworden war, die Wolkendecke, die das Schloss in Dunkel tauchte, und der eigene Atem, der beklemmt in der Brust ging. Schließlich vergaß ich ganz zu atmen und stürzte besinnungslos auf den Boden. Als ich wieder erwachte, blickte ich in Myladys Gesicht, die immer noch unbekleidet war und mir ein Riechsalz vor die Nase halten wollte. In der Eile hatte sie Glaubersalz erwischt, das eher für die Beschleunigung des Stuhlgangs eingesetzt wird, in der Nase aber die unangenehme Eigenschaft hat, die Schleimhäute über Gebühr zu reizen. Ich nieste, und Elin lachte, und der Fall war gerettet. Und ja: Sie hatte sich aus einer spontanen Eingebung heraus die Locke wegrasiert. Als sie längst gegangen war, saß ich mit dem Gefühl einer tiefen Ruhe in einem Sessel, als hätte ich ein Verbrechen begangen, das reichlichen Lohn tragen würde.
Ich hatte geschlafen, völlig erschöpft, fast wie tot und in den Kleidern, als mich Tumult vor der Kammer weckte. Es dauerte eine Weile, bis ich die Streichhölzer gefunden hatte, um den Kandelaber an meinem Bettrand zu entzünden, der ausgegangen war. Da ertönte er wieder: Ein merkwürdiger, tierhafter Schrei nebenan, aus dem Schlafgemach Lady
Weitere Kostenlose Bücher