Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Geschichte sagen sollte. Es wurde mir mulmig zumute. Die Art, mit der sie sich beim Gehen auf mich stützte, war nicht unangenehm, im Gegenteil, aber ich keuchte bereits und versuchte gleichzeitig, der Wendung, die unser Gespräch genommen hatte, gedanklich gerecht zu werden. „Du hast bestimmt geträumt, oder du phantasierst“, sagte ich.
„ Nein, Sir, bestimmt nicht, Sir. Ich war am Polieren des Schrankes in der Bibliothek, eine Strafarbeit. Ich hatte alle Schränke, Tische, Regale und Fußböden zu polieren bis zum nächsten Morgen, ich schwöre es, Sir, und ich war müde, unendlich müde, und am Kandelaber, den ich benutzte, waren die Kerzen ausgegangen. Ich mochte geschlafen haben und schreckte von einem Schrei hoch, einem gellenden, durchdringenden Schrei, einen merkwürdigen Schrei, nicht des Entsetzens, nein ... ich kann es Ihnen nicht schildern, Sir, man schreit nicht so.“
„ Was willst du mir sagen?“ fragte ich sie. Meine Schulter schmerzte, und sie ließ mich endlich los, als wir auf den Kiesweg auf dem Plateau gelangt waren, wo man leichthin und gerade auf das Schloss zuging. Hier lief sie leichtfüßig, wenn auch hinkend, neben mir her, und wir blieben beide stehen, als sie sagte: „So schreit keine Frau. So schreit ein Mann, ein Sieger, mit der Stimme einer Frau.“
„ War es überhaupt Lady Lidijas Stimme?“
„ Ja. Es war ihre Stimme. Ich glaube schon. Aber es war nicht die Lady, die ich bedient hatte, Sir.“
Ich nahm das Mädchen zu Holmes in die Bibliothek mit. Dort wiederholte sie ihre Geschichte. Holmes hörte wie abwesend zu und fragte dann überraschend: „Gibt es eine zweite Pforte in Lady Ansfrieds Zimmer?“
„ Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Sir.“
„ Einen Geheimgang.“
Das Dienstmädchen blickte zu Boden. „Nein, Sir.“
„ Also gibt es ihn doch“, meinte Holmes.
„ Es gibt keinen zweiten Eintritt, Sir.“
„ Dann stelle ich die Frage anders“, meinte Holmes, „wie gelangst du zu deiner Herrin?“
„ Ich verstehe nicht, Sir.“
„ Doch. Schildere einmal, wie du zu ihr kommst, wenn Sie dich ruft.“
„ Na, durch die Tür, Sir.“
„ Welche Tür?“
„ Die Tapetentür, Sir.“
Ich blickte Holmes überrascht an. „Also gibt es einen zweiten Eingang!“
„ Natürlich. Es kommt im Leben immer auf die Fragen an“, meinte er, und setzte dann seine Befragung fort: „Es gibt also für die Herrschaften die große Tür, die auf den Gang hinaus geht, und für die Dienstboten einen eigenen Weg innerhalb der Mauer, nicht wahr?“
„ Ja, Sir. Selbstverständlich, Sir.“
„ Weiß dein Herr Lord Cumberton von der Existenz dieser Tür?“
„ Ich weiß nicht, Sir. Ich glaube nicht, Sir.“
„ Weil er sich nie danach erkundigt hat, nicht wahr?“
„ Weiß nicht, Sir.“ Begierig, ihm zu helfen, mit kindlichem Eifer auf dem Gesicht, war unsere kleine Helferin nun doch völlig verwirrt. Sie wusste, daß die Welten der Herren und der Diener im Schloss getrennt waren, und die Vorstellung, man könnte von zwei Eingängen in das Zimmer der Herrschaften sprechen, schien ihr große Schwierigkeiten zu bereiten. Dienstboten wurden nicht gesehen und nicht gehört, denn sie lebten und bewegten sich hinter den Mauern der Treppen, Gänge und Prachträume.
„ Wie gelangt man zur Tapetentür?“ fragte Holmes.
„ Es ist eine eigene Treppe“, sagte sie.
„ Und der nächste Zugang zu dieser Treppe?“
„ Durch einen Pfeiler, Sir“, sagte sie. „Es ist der fünfte Pfeiler von links in jedem Stockwerk, der dritte vom Eingang in den Prunksaal.“
„ Der im obersten Geschoss der Bibliothek entspricht, nicht wahr?“
„ Ja, Sir.“
„ Auf welcher Seite gelangt man dann an den Räumen entlang?“
„ Auf der Gangseite.“
„ Und wo liegt die Tapetentür?“
„ Im Abort, Sir.“
„ Verstehe.“
„ Holmes!“ unterbrach ich, „wir sind seit Monaten im Schloss,
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