Voodoo Holmes Romane (German Edition)
verloren, oder war ich bereichert worden und würde die Menschheit mit diesem Bewusstsein bereichern können? Jedenfalls erkannte ich, während ich der kühlen Analyse des jungen Watson lauschte, daß in mir eine tiefe Gewissheit wuchs, die seinen Auslegungen entgegenstand.
Holmes fragte mich besorgt: „Was ist los, Watson, Sie machen den Eindruck, als hätten Sie ein Gespenst gesehen.“
„ Holmes“, sagte ich, „ich glaube, mir wird schlecht.“
In diesem Moment übergab ich mich auf den Fußboden. Holmes mußte zur Seite springen, um nicht bespritzt zu werden. Er läutete dem Stubendienst, und reichte mir einen Lappen, um mich abzuwischen. Ich mochte einen erbärmlichen Anblick abgegeben haben, denn er ließ mich wieder los, um mir ein Glas Wasser zu trinken zu holen. Dann hieß er mich hinlegen, und das war gut, denn eine große Schwäche hatte mich erfasst, und ich begann mit den Zähnen zu klappern.
„ Was sehen Sie, Watson?“, fragte er eindringlich. Ja, was sah ich? Ich schloss die Augen und erblickte vor meinem Inneren einen Vogelkopf. Es war das Haupt eines Adlers, dessen Gefieder schwarz glänzte. Ich öffnete die Augen wieder und erblickte das von Gaslampen erleuchtete Hotelzimmer, das mir dunkler erschien als noch eben zuvor.
„ Sehen Sie den Seelenvogel? Ich habe übrigens herausgefunden, worum es sich bei diesem Geflügel handelte, das wir auf Tyne sahen, Watson“, sagte Holmes, „es sind die Seelen von Verstorbenen. Sie tauchen nach alter ägyptischer Überlieferung im Augenblick des Todes im Mund auf, um zur Sonnen zu fliehen. Sehen Sie diesen Vogel?“
Ich schwieg. Warum? Es war da etwas, das ich nicht weiter erklären kann. Es lähmte meine Kiefer, wenn ich darüber sprechen wollte, es erweckte eine Form der Zufriedenheit, der Gleichgültigkeit. Nun, was war es: Das Gefühl, nicht mehr leben zu wollen, ja, so nannte man es. Ich war sterbensmüde, wie man so sagt.
Etwas meiner Ermutigung schien sich auf Holmes übertragen zu haben, denn auch er wirkte nun bedrückt und sank in einen Sessel. Als das Zimmermädchen klopfte, ergab sich eine gute Gelegenheit, eine Weile zu schweigen. Bald war ich so müde geworden, daß sich der Raum drehte und schließlich gingen in mir die Lichter aus. Ich hatte dabei keine Angst, ganz im Gegenteil. Wenn so Sterben ist, dachte ich flüchtig, habe ich nichts dagegen. Und dann wurde alles um mich schwarz.
12
Was es ein Traum, oder war es so, daß ich Holmes diese Geschichte in tiefer Hypnose erzählt habe? Jedenfalls hat er später berichtet, ich sei von einem alten Geist erfasst worden und hätte zwar auf Englisch, aber mit einer völlig veränderten Stimme als Pytheas gesprochen und dabei Aufschlüsse über die Vorgänge auf Tyne berichtet. Der Leser wird sich erinnern, daß schon Cumberton-Shoyle auf Tyne davon gesprochen hatte. Er kannte die Legende eines römischen Händlers namens Pytheas von Massalia, dem früheren Marseille. Dieser Pytheas ist dafür bekannt geworden, daß er schon vor zwei Jahrtausenden, nämlich im Altertum, mit seinem Schiff bis in die Nordsee kam. Dieser Mann hatte sich nun offenbar über die sarangoidale Wirkung des Porphyreiaöls meines Körpers bemächtigt und ließ mich mit Zungen sprechen. Holmes machte sich währenddessen auf einer Kladde in seiner schwer entzifferbaren Handschrift folgende Notizen:
Hat Handel mit Ägypten betrieben
Pharaone schon Jahrhunderte tot, doch ihre Nachfolger beachteten noch die Wege der Alten
Ihr Reich mächtiger als das Reich der Römer
Pytheas ein Abenteurer
Hoher Stellenwert der Pyramiden
Pharaonen wie Götter verehrt
Nachkommen des Sonnengottes Osiris
Osiris erschien nach der Gründung der Welt im Urschleim, als Vogel
Urvogel später
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