Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Antwort mochte wenig schmeichelhaft sein, aber sie war doch einleuchtend und ich musste mir die Wahrheit eingestehen: Nein, sie wäre nicht gekommen. Ja, sie stand in der Gewalt und unter dem Einfluss unseres Erzfeindes Grendel, und hatte wegen ihm zugelassen, dass ihrem eigenen Ehemann der Kopf abgebissen wurde. Was war das also für eine Frau, die ich zu lieben glaubte? Es war die verdammte Mumie in mir, die mich täuschte, die mir das Herz verwirrte. Ich wusste, daß ich meinem Freund in der Pflicht stand und sagte: „Gewissermaßen, ja. Was sie mir heute Nacht erzählte, ist allerdings noch merkwürdiger als das Gestrige. Sie erzählte mir von ihrem Gott. Sie wollte keine Namen nennen. Was sie mir allerdings sagte, war, daß er in früheren Zeiten, als sie ihn kannte, mit ihr deutsch gesprochen hätte, eine Sprache, die sie fehlerfrei beherrscht. Deshalb hätten sie sich auch sehr gut verstanden, das heißt, hätten einen großen Grad der Innigkeit erreicht. Seitdem er sie aber aus Tyne rettete, hätten sie sich nicht mehr verstanden, weder emotionell, noch sprachlich. Ihr käme es so vor als spräche er eine arabische Sprache, oder noch älter als arabisch, es müsse eine tote Sprache sein.“
„ Großartig“, sagte Holmes und wurde ganz animiert. Für ihn war die Sachlage klar: Die Veränderung, die in „Thor“ vorgegangen war, hatte etwas mit dem Rest an Mumie zu tun, die die Amphore beherbergt hatte.
Während ich darüber rätselte, fiel mir auf, daß Holmes zwischendurch einen Spiegel aus der Tasche zog und ihn zwischendurch unauffällig vor sein Gesicht hielt. Er nahm meine Erzählung einsilbig hin, und schließlich – wir schlenderten gerade an der Seine entlang, bog er vor mir scharf um das Eck einer Toilettenanlage. Wenig später bemerkte ich, daß er am anderen Ende des Gebäudes mit einem Mann in einem Faustkampf verwickelt war, und eilte hinzu, um ihn zu unterstützen. Zu zweit überwältigten wir den ohnehin eher klein gewachsenen, schwarzbärtigen Genossen, dessen Gehrock und Zylinder schon etwas abgenutzt waren, und der sich, als er zu verlieren drohte, mit hohen, spitzen Schreien Luft machte.
„ Nur mit der Ruhe“, sagte ihm Holmes, während er die Arme des Mannes auf den Rücken legte und mithilfe eines Taschentuches festband, „wir haben nicht die Absicht, Sie auszurauben. Und ich denke, Sie haben von der Aufmerksamkeit der Polizei mehr zu fürchten als wir.“
Prompt verstummt der Mann, und fragte dann auf Deutsch: „Was wollen Sie von mir? Ich bin völlig unschuldig.“
„ Das glaube ich gern“, gab ihm Holmes, „und doch verfolgen Sie uns schon, seitdem wir das Bristol verlassen haben. Darf ich erfahren, warum?“
Der Gesichtsausdruck des Mannes wurde augenblicklich freundlich und devot. „Das natürlich gern, Mr. Holmes Ich folge Ihnen, weil Sie ein berühmter Mann sind, aber auch, weil ich ein Anliegen an Sie zu stellen haben. Zu dem Zweck möge der Brief, den ich bei mir trage, die passende Einführung sein.“
Holmes suchte in der Brusttasche des Mannes und zog tatsächlich einen Briefumschlag hervor. Er war an „Mr. Holmes“ adressiert und trug den Absender Lord Camdens, den Botschafter Ihrer Majestät der Königin Victoria in Wien. Ich blickte dem jungen Holmes über die Schulter, um darin zu lesen.
Cher ami!
Der Überbringer dieses Briefes ist ein alter Bekannter, Graf Moritz von Ueberdank. Als Vorsitzender der „Tiermenschen-Partei“ im cisleithanischen Parlament zu Wien ist er mit der Angelegenheit Adolf Strein bestens vertraut und möge Ihnen und Ihrem Freund zur Unterstützung bei Ihren Nachforschungen dienen.
Ein gutes
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