Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Sicherlich wusste das Voodoo, als er sich mit seinen Kumpanen auf eine Konzertreise begeben hatte. Wahrscheinlich wusste es auch Sherlock, als ihn die Huldigungen der Franzmänner ereilten. Was ich Mumie nannte, hatte er nämlich schon früh als Professor Moriarty bezeichnet. Es ist das Böse schlechthin. Aber hatte sich Elin mit gegenüber böse verhalten? Sie hatte gefroren, und scheu darum gebeten, gewärmt zu werden. Zuerst die Hand, dann den ganzen Körper. Das war alles. Und sie hatte mir den Kelch geschenkt, den man den „Gral“ nannte, das höchste Gut in den Augen der Menschen – und bedeutungslos in meinen Augen.
Wie hatte nun alles begonnen? Mit diesem verdammten Geräusch in den Privatgemächern des Sherlock Holmes in der Baker Street. Das Geräusch hatte in mir Ohnmacht hervorgerufen, und das war der Test, der in den Augen des Voodoo Holmes meine Eignung bewies, mit der Mumie in Kontakt zu treten. Er hatte den Regenmacher benutzt, um mit ihr im Shay-Club zu sprechen. Wenn ich nun selbst den Regenmacher als Hilfsmittel benutzte, um die Mumie zu suchen – würde es mir dabei gelingen, Elin wiederzufinden?
So kam es, daß ich noch am selben Abend – tiefe Wolken verbargen den Himmel –
in das Haus in der Essex Road einbrach und in der Stille und Dunkelheit des leergeräumten Ladens den Regenmacher bewegte. Langsam, meditativ und rhythmisch schwenkte ich ihn im Zwielicht des Raums über der Stelle, an der wir die Mumie in den Sarkophag eingeschlossen hatten, hin und her. Ich stand da und lauschte zwischen den Klängen, bis das Murmeln im Regenmacher lauter wurde. Zwischendurch war mir, als höre ich ein Flüstern. Dann stieg ich hoch zu einem der Wohnungen, in denen damals von einer entfesselten Mumie eingebrochen worden war. Auch diese hatten nicht wieder vermietet werden können, waren verschmutzt und heruntergekommen und standen leer. Als ich in einer der Wohnungen die kleinen Steinchen in seinem Inneren herabstürzen ließ wie Wassertropfen, flatterten dabei Hunderte und Aberhunderte von Fledermäusen auf, prallten in Panik gegen die Scheiben und peitschten mein Gesicht mit ihren samtigen Flügeln, bevor es still wurde und ich in der Mitte des Raumes zwei Augen sah, die mich anleuchteten. In diesem Augenblick fuhr draußen ein greller Blitz aus einer Wolke, und ich starrte einen Wimpernschlag lang in das Gesicht eines großen, schwarzen Vogels, beziehungsweise eine Statue, die einen Vogel darstellte, der an seiner Stirne einen goldenen Reif trug. Erst als das Bild wieder verlöschte, und draußen ein ohrenbetäubender Lärm aufklang, als Wassertropfen auf die Scheiben prasselten, erkannte ich, um welches Bild es sich hier gehandelt hatte: Den Sarkophag, der längst im Museum ruhte. Ich taumelte nach vor und tastete mit zitternden Händen im Dunkel, aber da war nichts, es war nur ein Bild vor dem inneren Auge gewesen, das mich getäuscht und doch in die richtige Richtung geleitet hatte.
Es ging schon gegen Mitternacht, als ich mich in die Richtung des Britischen Museums auf den Weg machte. Es regnete so stark, daß niemand auf den Straßen war, und die Hälfte der Gaslaternen der Straßenbeleuchtung erloschen waren. Die Stadt lag in einer großen, lähmenden Dunkelheit befangen, und ich war in kürzester Zeit bis auf die Unterwäsche durchnässt. Nur meine Hand umklammerte den senkrecht aufregenden Regenmacher, der mir wie ein Leuchtstab den Weg wies, wie ein Rammbock, wie ein Bischofsstab, der die verschlossenen Tore der Seele aufspringen lässt. Die Torwache am Britischen Museum war mir unbekannt, und betrachtete mich mit höchstem Misstrauen, was angesichts der Uhrzeit, zu der ich dort vorsprach, nicht ungewöhnlich war. Aber
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