Voodoo Holmes Romane (German Edition)
auch der afrikanische Knüppel, den man aus der Entfernung für eine Waffe halten konnte, trug zu seiner ablehnenden Miene bei. Schließlich hatte er mich als harmlosen Spinner ausgemacht und überredete er mich, schlafen zu gehen, und am nächsten Tage wieder zukommen, ab 9 Uhr sei das Museum wieder geöffnet. Ich spielte mit dem Gedanken, ihn zu überwältigen, aber die Vernunft hielt mich dann doch zurück. Ebenso sinnlos wäre es gewesen, in den Bau durch ein Seitenfenster einbrechen zu wollen: Das Britische Museum ist eine Festung, und das nicht zu Unrecht, denn es birgt die größten Kulturschätze der Völker.
Was ich den Rest der Nacht gemacht habe, kann ich heute nicht mehr sagen. Zuerst saß ich in einer Bar, dann hockte ich eine Weile im Regents Park unter einem Baum, den Regenmacher zwischen den Beinen wie eine Stange, an der sich ein Ertrinkender aus den Fluten zieht, bis mich dort ein Bobby auflas und wieder vertrieb. Ich spürte die Kälte nicht, und nicht die Feuchtigkeit, und keine Müdigkeit. Keinesfalls wollte ich in die Baker Street zurückkehren, der Gedanke, mich Holmes zu stellen, war mir ein Gräuel, und der nächste Gedanke, ein Hotelzimmer zu nehmen, genauso unerträglich. Ich war, muß ich offen gestehen, nicht mehr ganz von dieser Welt. Der einzige Gedanke, den ich noch fassen konnte, war der, ins Museum zu gelangen, und die einzige Handlung, zu der ich noch fähig war, das Umklammern des Regenmachers, der seltsam schwieg, seitdem es zu Gießen aufgehört hatte.
Am folgenden Morgen war meine Aufregung so groß, daß ich den Kaffee, den ich in einer kleinen Kneipe serviert bekam, zur Hälfte verschüttete, bevor ich doch einige Schlucke warme Flüssigkeit in mich hinein brachte. Ich stand schon zehn Minuten vor neun vor dem Portal des Museums und muß angesichts meiner lädierten Kleidung, die längst wieder getrocknet war, einen verdächtigen Eindruck gemacht haben, denn die Blicke, die mich verfolgten, waren sehr unfreundlich. Es dauerte eine Weile, bis ich in den Saal gekommen war, dessen Herzstück der Sarkophag mit der Mumie bildete. Ich stellte mich mit zitternden Händen davor und war kaum imstande, mit dem Schwenken des Regenmachers zu beginnen, doch kaum tat ich es, schien der Raum von einer zauberhaften Melodie erfüllt, wie ich sie noch nie gehört hatte. Es war weniger ein Tröpfeln und Prasseln, das aus dem Holz drang, als ein Summen und Wispern und Lispeln, als wären das die wahren Stimmen von Afrika. Zwischen den Klängen war außerdem ein kleines Scharren oder Huschen im Raum zu merken, wie von Mäusen, die um Ecken flitzen, oder große Insekten, die an Scheiben flattern. Ich merkte, daß diese Geräusche im oder am Sarkophag entstanden, vor dem ich mich aufgebaut hatte. Und dann glaubte ich, eine Stimme zu hören, eine dumpfe, hohle Stimme, die gleichwohl unmissverständlich die Stimme einer Frau war, und trat nach vor, mit sperrangelweit geöffneten Sinnen, und Ohren, die auch noch das kleinste Raunen und leiseste Flüstern vernommen hätten. Deshalb zuckte ich zusammen, als ihre Stimme dann laut wurde, und man hatte gar nicht mehr den Eindruck, daß die Stimme dieser Frau, die mich hier rief, aus der Tiefe eines Sarges kam: „Da bist du endlich! Erlöse mich! Ich habe schon immer auf dich gewartet!“ Während ich mich nach vorne stürzte und besinnungslos auf den Deckel warf, um ihn beiseite zu räumen, waren da schon die Museumswachen, die mich zurückhielten, und ich schrie auf, als sie mich vom Sarkophag zerrten. Meine Stimme brüllte so laut und fremd, daß ich sie selbst nicht mehr erkannte, und dann traf mich der beherzte Schlag des Regenmachers, den man mir entwunden hatte, auf den Kopf und das war’s. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich im Krankenhaus, genauer
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