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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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miterleben.«
    »Wann ist das?«
    »Vor Ostern.«
    »Nicht, wenn ich’s vermeiden kann«, lachte Max.
    »Werden Sie hier bleiben, bis Sie Charlie gefunden haben?«
    »Ich hoffe, dass es nicht so lange dauern wird, aber ja, ich bleibe hier, bis die Arbeit getan ist.«
    Im grünroten Licht der Armaturen sah Max ihr Lächeln.
    »Was machen Sie, wenn die Spuren sich als kalt erweisen?«, fragte sie.
    »Die sind auch jetzt nicht gerade heiß. Wir gehen hier Gerüchten nach, Legenden, Hörensagen. Was Handfestes ist das nicht.«
    »Und wenn es nirgendwo hinführt? Was dann?«
    »Wir werden sehen.«
    »Und wenn er tot ist?«
    »Das ist er wahrscheinlich, wenn ich ehrlich sein darf. Wir müssen nur noch seinen Leichnam finden und den oder die Mörder – und wir müssen herausfinden, warum er sterben musste. Das Motiv ist immer wichtig«, sagte Max.
    »Sie geben nicht so schnell auf, wie?«
    »Ich mache keine halben Sachen.«
    »Haben Sie das schon als Kind mitgekriegt?«, fragte sie und sah ihn an.
    »Ja, wahrscheinlich. Wenn auch nicht von meinen Eltern. Meinen Vater habe ich gar nicht gekannt. Der ist abgehauen, als ich sechs war, und nie wieder aufgetaucht. Ein Mann namens Eldon Burns war so eine Art Vater für mich. Er war Polizist und hatte eine Boxhalle in Liberty City, wo er die Kinder und Jugendlichen aus dem Viertel trainiert hat. Ich bin da hin, als ich zwölf war. Er hat mir beigebracht zu kämpfen, und einiges mehr. Im Ring habe ich so manche Lektion fürs Leben gelernt. Eldon hatte ein paar Regeln an die Wand im Umkleideraum gepinnt, wo sie nicht zu übersehen waren. Eine lautete: ›Bringe alles zu Ende, was du angefangen hast‹. Wenn du bei einem Wettrennen der Letzte bist, sei keine Memme und geh den Rest, sondern lauf bis zur Zielgeraden. Wenn du im Ring vermöbelt wirst, nicht in die Ecke verziehen und aufgeben, sondern kämpfen bis zum letzten Gong.« Max musste lächeln bei der Erinnerung. »›Bring alles erhobenen Hauptes zu Ende‹, hat er immer gesagt, ›und eines Tages wirst du größer sein als die anderen.‹ Ziemlich gute Regel.«
    »Sind Sie seinetwegen Polizist geworden?«
    »Ja«, sagte Max. »Er war dann auch mein Vorgesetzter.«
    »Haben Sie noch Kontakt?«
    »Nicht direkt«, sagte Max. Er hatte sich mit Eldon zerstritten, bevor er in den Knast gewandert war, und sie hatten seit über acht Jahren kein Wort mehr miteinander gewechselt. Eldon hatte beim Prozess für ihn ausgesagt, und er war zu Sandras Beerdigung gekommen, aber beides nur aus Pflichtgefühl, weil er glaubte, Max das schuldig zu sein. Jetzt waren sie quitt.
    Chantale spürte, dass Max auf dieses Thema nicht weiter eingehen wollte, stellte das Radio wieder an und drehte am Senderknopf, bis sie zu einem unaufdringlichen Klaviergeklimper zur Melodie von I Wanna Be Around kam.
    Die Sonne ging langsam auf, und gerade voraus waren die Berge zu sehen, die Gipfel schwarze Silhouetten vor einem Himmel, an den die Morgendämmerung Schattierungen von Schwarz, Dunkelblau und Blasslila gemalt hatte.
    »Und was ist mit Ihnen?«, fragte Max. »Wie geht es Ihrer Mutter?«
    »Sie liegt im Sterben«, sagte sie. »Sehr langsam. Manchmal schmerzhaft. Sie sagt, sie ist froh, wenn’s vorbei ist.«
    »Und was macht Ihr Vater?«
    »Den kenne ich gar nicht«, antwortete Chantale. »Meine Mutter ist bei einer Zeremonie schwanger geworden. Zu dem Zeitpunkt war sie von einem Geist besessen, genau wie mein Vater. Wir nennen das ›Chevalier‹. Das ist Französisch für ›Ritter‹, aber in unserer Sprache bedeutet es ›von den Göttern geritten‹.«
    »Sie sind also ein göttliches Kind?«, witzelte Max.
    »Sind wir das nicht alle, Max?«, konterte sie mit einem Lächeln.
    »Ist Ihnen das auch schon mal passiert, so ein Chevrolet?«
    » Chevalier , nicht Chevrolet«, belehrte sie ihn mit gespielter Entrüstung. »Nein, ist es nicht. Ich war als Teenager zuletzt bei einer Zeremonie.«
    »Kann ja noch kommen«, sagte Max.
    Sie drehte den Kopf und bedachte ihn mit einem Blick, der ihm in den Eiern zog: Schlafzimmeraugen, gepaart mit einem prüfenden Forscherblick. Max konnte nicht verhindern, dass seine Augen hinunter zu ihren Lippen und zu dem kleinen dunkelbraunen Leberfleck unter ihrer Unterlippe wanderten. Der Fleck war nicht ganz oval, eher wie ein Komma, das jemand auf den Rücken geworfen hatte. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie sie wohl im Bett sein mochte, und vermutete, sie würde fantastisch sein.
    Inzwischen war es hell geworden.

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