Voodoo
wissen wollte, war, warum wir aus den USA weggegangen sind, um in einem ›Scheißhaus wie dem hier‹ zu leben – genauso hat er es gesagt. Dann meinte er, seine Soldaten seien zu ›beschäftigt‹, um uns zu helfen, schließlich müssten sie die ›Demokratie wiederherstellen‹. Auf dem Weg zurück zum Auto sind wir an einer Bar vorbeigekommen. Da saß eine ganze Horde Marines und war schwer damit beschäftigt, mit Bier und Gras die Demokratie wiederherzustellen.«
»Und Vincent Paul?«
»Zu dem sind wir gegangen, nachdem die US-Armee uns jede Hilfe verweigert hatte.«
»Warum sind Sie nicht gleich zu ihm?«
»Ich …«, hob Mathilde an, aber Caspar fiel ihr ins Wort.
»Was wissen Sie über ihn?«
»Ich habe Gutes und Schlechtes gehört, hauptsächlich Schlechtes«, sagte Max.
»Genau wie Mathilde. Sie wollte nicht, dass wir zu ihm gehen.«
»So war es gar nicht …«, sagte Mathilde, doch dann sah sie den »Nun red dich nicht wieder raus«-Blick ihres Mannes. »Sch on gut. Weil doch die Armee im Land war und alles, wollte ich nicht, dass so jemand wie er offiziell nach unserer Tochter sucht. Ich wollte nicht, dass wir womöglich noch als Komplizen oder Sympathisanten verhaftet werden.«
»Wieso Sympathisanten?«
»Vincent war ziemlich eng befreundet mit Raoul Cedras, dem Anführer der Militärjunta, die von den Amerikanern aus dem Amt gejagt wurde«, erklärte Caspar.
»Ich dachte, Aristide wäre mehr Pauls Typ«, bemerkte Max.
»So war es am Anfang auch, klar. Aristide war früher mal ein Guter, damals als Priester, als er den Armen in den Slums geholfen hat. Hat viel für sie getan. Aber von dem Tag an, an dem er zum Präsidenten gewählt wurde, hat er sich in Papa Doc verwandelt. Er war genauso korrupt. Er hat Millionen an ausländischen Hilfsgeldern in die eigene Tasche gesteckt. Als er zwei Wochen im Amt war, wollte Vincent ihn sch on an den Füßen aufhängen.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass jemand wie Paul Prinzipien hat.«
»Er ist ein mitfühlender Mensch«, sagte Mathilde.
»Und hat er Ihnen geholfen?«
»Sehr«, sagte sie. »Einen Monat lang hat er die ganze Insel nach ihr absuchen lassen. Er hatte sogar Leute, die in New York und Miami, in der Dominikanischen Republik und auf den Nachbarinseln nach ihr gesucht haben. Er hat sogar die UN eingeschaltet.«
»Aber keinen Privatdetektiv«, sagte Max.
»Er hat gesagt, wenn er sie nicht findet, findet sie keiner.«
»Und Sie haben ihm geglaubt?«
»Hätten wir, wenn er sie gefunden hätte«, sagte Mathilde.
»Ist vor mir schon jemand bei Ihnen gewesen? Die Carvers hatten vor mir schon andere engagiert, um nach ihrem Sohn zu suchen. Hat einer von denen mit Ihnen gesprochen?«
»Nein«, sagte Caspar.
Max machte sich noch ein paar Notizen. Da war nur noch eine Sache, die er von den Thodores wissen wollte. »Nach allem, was ich gehört habe, verschwinden hier tagtäglich viele Kinder. Da kommen doch bestimmt ständig Leute zu Vincent Paul und bitten ihn um Hilfe. Warum hat er Ihnen geholfen?«
Die beiden schauten einander an, als wüssten sie nicht recht, was sie antworten sollten.
Max machte es ihnen leicht. »Hören Sie: Ich weiß, womit Vincent Paul sein Geld verdient, und es ist mir scheißegal, ganz ehrlich. Ich bin hier, um Charlie Carver und Claudette zu finden. Also seien Sie bitte ehrlich zu mir. Warum hat Vincent Ihnen geholfen?«
»Er ist ein Freund der Familie, meiner Familie«, sagte Caspar. »Mein Bruder und er kennen sich schon seit vielen Jahren.«
»Paul hat für die Kirche Ihres Bruders in Little Haiti Geld gespendet, habe ich recht?«
»Nicht nur das«, sagte Caspar. »Mein Bruder betreibt in Miami auch eine Auffangstelle für haitianische Bootsflüchtlinge. Das Geld dafür kommt von Vincent. Er hat viel Geld nach Little Haiti geschickt, hat vielen Leute geholfen, auf eigenen Beinen zu stehen. Er ist ein guter Mensch.«
»Es mag Leute geben, die da vielleicht anderer Meinung sind«, bemerkte Max und beließ es dabei. Er sparte sich den Hinweis, dass gar nicht weit von Little Haiti, in Liberty City, Zehnjährige mit Vincent Pauls Drogen dealten, während Vater oder Mutter oder beide mit dem gleichen Stoff ihr Leben in der Pfeife rauchten. Vermutlich war das den Thodores in diesem Moment herzlich gleichgültig, und wie sollte es auch anders sein?
»Auch über Sie könnten die Leute unterschiedlicher Meinung sein«, entgegnete Mathilde mit sanfter Stimme, womit sie Recht hatte, ohne ihn verletzen zu
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