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Vor aller Augen

Titel: Vor aller Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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tüchtiger Mann namens Tony Woods, den ich bereits ein wenig mochte.
    Â»Wie ist seine Stimmung heute Morgen, Tony?«, fragte ich.
    Â»Ihm hat gefallen, wie das in Baltimore gelaufen ist«, antwortete Tony. »Seine Hoheit sind in sehr guter Stimmung. Zur Abwechslung.«
    Â»War Baltimore ein Test?«, fragte ich, war aber nicht sicher, wie weit ich bei dem Assistenten gehen konnte.
    Â»Oh, es war das Abschlussexamen. Aber vergessen Sie nicht: Alles ist ein Test.«
    Er führte mich ins relativ kleine Konferenzzimmer des Direktors. Burns saß bereits da und wartete auf mich. Er hob das Glas Orangensaft und prostete mir lächelnd zu.
    Â»Da ist er ja! Ich sorge dafür, dass alle wissen, dass Sie in Baltimore einen Bombenerfolg erzielt haben. Genau so hatte ich mir Ihren Start gewünscht.«
    Â»Es wurde niemand erschossen«, sagte ich.
    Â»Sie haben gute Arbeit geleistet, Alex. Das Geisel-Befreiungs-Team war tief beeindruckt. Ich auch.«
    Ich setzte mich und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein.
    Bei Burns herrschte »Selbstbedienung«, ohne Formalitäten. »Wollen Sie meinen Erfolg in Baltimore verkünden, weil Sie große Pläne mit mir haben?«, erkundigte ich mich.
    Burns lachte in seiner üblichen konspirativen Art. »Ganz genau, Alex. Ich möchte, dass Sie meinen Job übernehmen.«

    Jetzt war es an mir zu lachen. »Nein, vielen Dank.« Ich trank einen Schluck Kaffee, der dunkelbraun, leicht bitter, aber köstlich war – beinahe so gut wie Nana Mamas. Na ja, vielleicht halb so gut wie der beste in Washington. »Möchten Sie mir Ihre anstehenden Pläne mitteilen?«, fragte ich.
    Burns lachte erneut. Heute Morgen war er tatsächlich bester Laune. »Ich möchte nur, dass das FBI einfach und effektiv funktioniert. Das ist alles. So habe ich es in meinem Büro in New York gehalten. Ich sage Ihnen ganz offen, dass Cowboys und Bürokraten überhaupt nicht nach meinem Geschmack sind. Besonders Letztere nicht. Ich will kluge erfahrene Leute auf den Straßen haben, Alex. Gestern sind Sie ein Risiko eingegangen, aber Sie haben das wohl gar nicht so gesehen. Für Sie hat es keine Politik gegeben – nur die richtige Art, die Arbeit zu erledigen.«
    Â»Und wenn es nicht funktioniert hätte?«, warf ich ein und stellte meine Tasse auf den Untersetzer, der mit dem FBI-Emblem verziert war.
    Â»Nun, dann säßen Sie jetzt nicht hier und wir würden uns nicht so unterhalten. Nein, im Ernst. Ich muss Sie in einem Punkt warnen. Vielleicht ist es für Sie augenscheinlich, aber es ist viel schlimmer, als Sie sich vorstellen können. Beim FBI kann man nicht immer unterscheiden, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Das kann niemand. Ich habe es versucht, aber es ist fast unmöglich.«
    Ich dachte über die Tragweite dessen nach, was Burns mir soeben gesagt hatte. Eine meiner Schwächen hatte er jedenfalls offenbar erkannt: Ich suchte immer nach dem Guten im Menschen. Ich begriff, dass das manchmal eine Schwäche war, aber ich würde mich nicht ändern – vielleicht konnte ich mich auch nicht ändern.
    Â»Sind Sie ein Guter?«, fragte ich.
    Â»Selbstverständlich«, erklärte Burns mit einem so breiten
Grinsen, dass er eine Hauptrolle in The West Wing bekommen könnte. »Mir können Sie trauen, Alex. Absolut. Genauso, wie Sie vor einigen Jahren Kyle Craig vertraut haben.«
    Gott, bei diesen Worten lief es mir eiskalt über den Rücken. Aber vielleicht versuchte der Direktor nur, dass ich die Welt so sah wie er: Trau niemandem! Setze dich an die Spitze der Klasse!

12
    Kurz nach elf war ich auf dem Weg nach Quantico. Auch nach meinem »Abschlussexamen« in Baltimore musste ich noch den Kurs »Stress-Management und Polizeidienst« mitmachen. Ich kannte bereits die zu Grunde liegende Statistik: Es war fünfmal wahrscheinlicher, dass FBI-Agenten sich selbst umbrachten, als bei der Ausübung ihrer Pflicht getötet wurden.
    Ein Gedicht von Billy Collins kam mir in den Sinn: »Noch ein Grund, weshalb ich im Haus keine Waffe habe.« Guter Gedanke, gutes Gedicht, schlechtes Omen.
    Das Handy klingelte. Ich hörte die Stimme von Tony Woods aus dem Büro des Direktors. Die Pläne waren geändert worden. Woods übermittelte mir die Anweisung des Direktors, direkt zum Ronald-Reagan-Washington-Flughafen zu fahren. Dort wartete ein Flieger auf mich.
    O Gott!

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