Vor aller Augen
San Francisco. Seine Bedienungen waren wie Cheerleader gekleidet, aber oben ohne. Das hielt er für einen frechen Scherz, der garantiert bei allen Anstoà erregte. Das Ãberraschungsdessert bei der Party waren Sachertorten, die aus Wien eingeflogen worden waren. Kein Wunder, alle liebten Ari â oder hassten ihn.
Spielerisch umarmte er einen ehemaligen Profi-Verteidiger der Miami Dolphins, unterhielt sich mit einem Anwalt,
der in Florida zehn Millionen bei einem Vergleich mit der Tabakindustrie gemacht hatte, und tauschte mit ihm Anekdoten über Gouverneur Jeb Bush aus. Dann schlenderte er weiter durch die Menge. In sein Haus kamen zahllose Arschkriecher, die gesellschaftlich aufsteigen wollten und sich deshalb mit den richtigen â oder falschen â Leuten zeigen wollten: wichtigtuerisch, verzogen, egoistisch und â was am schlimmsten war â so langweilig wie laues Spülwasser.
Er ging an der Kante des überdachten Schwimmbads zu dem AuÃenbecken, das doppelt so groà war. Er plauderte mit Gästen und spendete eine groÃe Summe für eine Privatschule. Er war nicht überrascht, von der Frau eines Geschäftsfreundes angebettelt zu werden. Er unterhielt sich ernsthaft mit dem Besitzer des wichtigsten Hotels im Staat, einem Mogul, der mit Mercedes handelte, und einem Aufsichtsratsvorsitzenden, der einer seiner Jagd-»Kumpane« war.
Er verachtete all diese Blender, besonders die älteren. Keiner von ihnen war je im Leben ein echtes Risiko eingegangen. Dennoch hatten sie Millionen, sogar Milliarden, gescheffelt und hielten sich für ganz heiÃe Nummern.
Und dann dachte er zum ersten Mal seit ungefähr einer Stunde an Elizabeth Connolly. Seine süÃe sexy Lizzie. Sie sah aus wie Claudia Schiffer, und er erinnerte sich an die Zeit, als die Fotos des deutschen Models überall auf den Reklametafeln in Moskau klebten. Er hatte Claudia begehrt â alle russischen Männer hatten sich nach ihr verzehrt -, und jetzt hatte er ihr Abbild in seinem Besitz.
Warum? Weil er es sich leisten konnte. Das war die Philosophie, die ihn sein ganzes Leben lang angetrieben hatte.
Genau aus diesem Grund hielt er sie hier in seiner Prachtvilla in Fort Lauderdale gefangen.
16
Lizzie Connolly vermochte nicht zu begreifen, warum all diese grauenvollen Ereignisse ausgerechnet ihr zustieÃen. Es schien nicht möglich. Es war nicht möglich. Und dennoch war sie hier. Eine Geisel!
In dem Haus, in dem man sie gefangen hielt, waren viele Menschen. Viele! Es klang, als fände eine Party statt. Eine Party? Wie konnte er das wagen?
War ihr wahnsinniger Entführer sich seiner Sache so sicher? War er so arrogant? So unverschämt? War das möglich? Selbstverständlich war es das. Er hatte vor ihr geprahlt, dass er eine Art Gangster sei, der König der Gangster â vielleicht der gröÃte, der je gelebt hatte. Er hatte widerliche Tätowierungen: auf dem rechten Handrücken, auf den Schultern, dem Rücken, um den rechten Zeigefinger und auch am Penis und an den Hoden.
Lizzie hörte, dass im Haus eindeutig eine Party gefeiert wurde. Sie hörte Unterhaltungen. Ein geplanter Ausflug nach Aspen. Gerüchte über die Affäre einer Kinderfrau und einer Mutter hier vor Ort. Der Tod eines Kindes in einem Pool, eine Sechsjährige, wie ihre Gwynne. Footballgeschichten. Ein Witz über zwei Ministranten und eine Siamkatze, den sie schon in Atlanta gehört hatte.
Wer zum Teufel waren all diese Leute? Wo hielt man sie fest? Verdammt, wo bin ich?
Lizzie gab sich alle erdenkliche Mühe, nicht den Verstand zu verlieren, doch war das schier unmöglich. Alle diese Menschen, ihr läppisches Geschwätz.
Sie waren nicht weit entfernt von dem Raum, wo sie gefesselt und geknebelt war, Geisel eines Wahnsinnigen, wahrscheinlich eines Mörders.
Während Lizzie zuhörte, strömten Tränen über ihre Wangen. Diese Stimmen, ihre Nähe, das Gelächter â alles nur wenige Meter von ihr entfernt.
Ich bin hier! Ich bin direkt hier! Verdammt, helft mir. Bitte, helft mir.
Ich bin hier, ganz nahe.
Um sie herum herrschte Dunkelheit. Sie konnte nichts sehen.
Die Menschen befanden sich auf der anderen Seite einer dicken Holztür. Lizzie war in einem kleinen Raum eingesperrt, der teilweise als Wandschrank diente. Seit Tagen hielt man sie hier fest. Man gestattete ihr, das Badezimmer aufzusuchen, aber mehr nicht.
Mit einem Seil
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