Vor aller Augen
schon voll war. Er ging nach vorn, drehte sich um und schaute uns an. Seine durchdringenden graublauen Augen wanderten von einer Reihe zur nächsten. Er schien noch energiegeladener als sonst.
»Ich habe etwas bekannt zu geben. Zur Abwechslung mal etwas Gutes«, sagte Mahoney. »Es hat einen entscheidenden
Durchbruch gegeben. Die Meldung kam soeben aus Washington.« Mahoney machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Seit Montag haben Agenten unseres Büros in Newark einen Verdächtigen observiert. Es handelt sich um Rafe Farley, einen Sexualstraftäter, der vier Jahre im Gefängnis in Rahway abgesessen hat, weil er in die Wohnung einer Frau eingebrochen ist und sie geschlagen und vergewaltigt hat. Damals behauptete Farley, das Opfer sei eine Freundin und Arbeitskollegin. Wir wurden auf Farley aufmerksam, weil er in einem Internet-Chatroom erstaunlich viel über Mrs. Audrey Meek zu sagen hatte. Zu viel. Er kannte Details über Mrs. Meek, darunter Tatsachen über ihre Familie aus der Gegend von Princeton, über ihr Haus dort, sogar über dessen Grundriss. Ferner wusste der Tatverdächtige ganz präzise, wie und wann Mrs. Meek in der King of Prussia Mall entführt wurde. Er wusste, dass ihr Auto benutzt wurde und dass die Kinder zurückgelassen wurden. Beim nächsten Besuch im Chatroom brachte Farley Details, die nicht mal wir haben. Er behauptete, dass sie mit einer ganz bestimmten Droge betäubt und in einen Wald in New Jersey gebracht wurde. Er blieb allerdings vage, ob Audrey Meek noch lebt oder tot ist. Leider hat der Verdächtige während des Zeitraums, in dem wir ihn observiert haben, Mrs. Meek nicht aufgesucht. Das waren fast drei Tage. Wir halten es für möglich, dass er die Beschattung bemerkt hat. Wir haben jetzt entschieden â und der Direktor hat zugestimmt -, Farley festzunehmen. Das HRT ist bereits am Schauplatz in North Vineland, New Jersey, und hilft der örtlichen Polizei und unseren Leuten vor Ort. Zugriff ist heute Morgen, wahrscheinlich in einer Stunde. Eins zu null für die Guten«, sagte Mahoney. »Herzlichen Glückwünsch an alle, die zu diesem Erfolg beigetragen haben.«
Ich saà da und klatschte mit den anderen Beifall, aber ich hatte ein komisches Gefühl. Ich war bei der Observierung von Farley nicht beteiligt gewesen, ich hatte nicht einmal davon gewusst. Ich war auÃen vor. So hatte ich mich seit über einem Dutzend Jahren nicht mehr gefühlt, nicht, seit ich bei der Polizei in Washington, D.C., angefangen hatte.
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Ein Halbsatz aus Mahoneys Vortrag ging mir nicht aus dem Kopf: der Direktor hat zugestimmt ⦠Ich fragte mich, wie lange Direktor Burns über den Verdächtigen in Jersey Bescheid gewusst und weshalb er sich entschieden hatte, mir nichts davon zu sagen. Ich bemühte mich, nicht enttäuscht zu sein. Litt ich etwa unter Verfolgungswahn? Trotzdem ⦠Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, als die Besprechung zu Ende war und die anderen Agenten jubelten.
Schlimm war, dass ich nicht wusste, weshalb ich dieses ungute Gefühl hatte. Aber aus irgendeinem Grund mochte ich diesen Zugriff überhaupt nicht.
Als ich den Raum mit den anderen verlieÃ, kam Mahoney zu mir. »Der Direktor hat gesagt, dass Sie nach New Jersey mitkommen sollen«, erklärte er und grinste. »Kommen Sie mit mir zum Hubschrauberlandeplatz. Ich möchte Sie auch dabeihaben«, fügte er hinzu. »Wenn wir Farley nicht sofort unschädlich machen, werden wir meiner Meinung nach Mrs. Meek nicht lebend zurückbekommen.«
Knapp fünfundfünfzig Minuten später landete der Bell-Hubschrauber
auf dem Big-Sky-Aviation-Flugplatz in Millville, New Jersey. Zwei schwarze Limousinen warteten bereits. Man brachte Mahoney und mich so schnell wie möglich nach North Vineland, ungefähr zehn Meilen in Richtung Norden.
Wir parkten vor einem Restaurant. Farleys Haus war 1,2 Meilen entfernt. »Wir sind bereit zu stürmen«, erklärte Mahoney seiner Gruppe. »Ich habe bei dieser Sache ein ziemlich gutes Gefühl.«
Ich begleitete Mahoney zu einem Wagen. Wir würden nicht Teil des Geisel-Befreiungs-Teams sein, das aus sechs Mann bestand und zuerst ins Haus gehen sollte, aber wir würden danach sofort mit Rafe Farley sprechen können. Ich hoffte, dass wir Audrey Meek lebend im Haus finden würden.
Trotz meines flauen Gefühls spürte ich wegen des Zugriffs prickelnde Erregung.
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