Vor aller Augen
lachte.
»Sphinx hat das Gebäude verlassen«, sagte Potter schlieÃlich.
Der Wolf übernahm das Kommando. »Ich glaube, für
heute Abend haben wir genug Gequatsche gehört. Ich mache mir wegen der Nachrichten Sorgen. Wir müssen uns mit dem Paar so befassen, dass ich zufrieden bin. Ich schlage daher vor, dass wir ein anderes Team hinschicken, um den beiden einen Besuch abzustatten. Irgendwelche Einwände?«
Keine Einwände, was nicht ungewöhnlich war, wenn der Wolf den Vorsitz führte. Alle hatten Angst vor dem Russen.
»Es gibt aber auch gute Nachrichten«, sagte Potter. »Dieses Aufsehen in der Ãffentlichkeit ⦠ist das nicht aufregend? Das bringt das Blut zum Kochen. Ein Knüller, richtig?«
»Sie sind ja verrückt, Potter. Sie haben den Verstand verloren.«
»GenieÃen Sie es nicht auch ungemein?«
Der gut gesicherte Chatroom war nicht genügend geschützt. Unvermittelt erklärte der Wolf: »Sagen Sie nichts mehr. Kein weiteres Wort! Ich glaube, bei uns ist jemand. Jetzt ist er weg. Jemand ist eingedrungen. Wer kann sich hierher Zugang verschafft haben? Wer hat ihn reingelassen? Wer immer es ist, er ist so gut wie tot.«
41
Lili Olsen war vierzehneinhalb. Sie war eigentlich davon überzeugt, im Internet schon alles gehört zu haben, was man sich vorstellen konnte. Doch dann war sie als Hackerin in den Wolfsbau geraten.
Diese abartigen Dreckskerle in dem gut gesicherten, aber
nicht genügend geschützten Chatroom waren allesamt ältere Männer und sie waren widerlich und abscheulich. Ständig redeten sie über weibliche Geschlechtsteile und wie sie abartigen Sex mit allem hatten, was sich bewegte: jedes Alter, jedes Geschlecht, Mensch oder Tier. Diese Männer waren so abstoÃend, dass sie am liebsten gekotzt hätte. Aber dann wurde es noch schlimmer. Lili wünschte, sie hätte nie vom Wolfsbau gehört, hätte nie diesen hoch gesicherten Chatroom betreten. Das könnten Mörder sein!
Und dann entdeckte der Anführer, Wolf, dass Lili mit ihnen auf der Website war und alles hörte, was sie sagten.
Und jetzt wusste Lili über die Morde und Entführungen Bescheid, über alles, worüber sie gesprochen hatten. Allerdings wusste sie nicht, ob irgendetwas von dem, was sie gehört hatte, auch wirklich stattfand oder stattgefunden hatte.
War es real? Oder dachten sie sich das nur aus? Vielleicht waren diese alten Säcke nur widerliche kranke GroÃmäuler.
Eigentlich wollte Lili die Wahrheit gar nicht wissen. Was wollte sie mit den Dingen anfangen, die sie belauscht hatte? Sie war als Hackerin in diese Site eingedrungen. Das war illegal. Wenn sie zur Polizei ging, musste sie sich selbst beschuldigen. Das konnte sie nicht tun. Oder doch? Aber wenn das ganze Zeug von der Site nur Fantasien war?
Sie saà in ihrem Zimmer und dachte über das Undenkbare nach. Sie hatte ein furchtbar flaues Gefühl im Magen. Sie war traurig, aber sie hatte auch Angst.
Die Männer wussten, dass sie sich Zugang zum Wolfsbau verschafft hatte. Aber wussten sie auch, wie sie sie finden konnten? Wäre Lili an ihrer Stelle gewesen, hätte sie gewusst, wie. Waren die Männer vielleicht schon unterwegs zu ihrem Haus?
Lili war bewusst, dass sie zur Polizei gehen sollte. Vielleicht
zum FBI? Aber sie brachte es einfach nicht fertig. Sie saà wie erstarrt da. Sie hatte das Gefühl, gelähmt zu sein.
Als es an der Tür klingelte, fuhr sie vor Schreck fast aus der Haut. »ScheiÃe! Heilige Muttergottes! Das sind sie!«
Lili holte tief Luft und rannte dann nach unten zur Eingangstür. Vorsichtig spähte sie durch den Spion. Sie hörte ihr eigenes Herz hämmern.
Dominoâs Pizza! O Gott!
Das hatte sie ganz vergessen! Der Pizza-Bote â keine Killer â stand vor der Tür. Unvermittelt musste Lili kichern. Nein, sie würde doch nicht sterben.
Sie öffnete die Tür.
42
Der Wolf war selten wütender gewesen, und jemand musste dafür bezahlen. Der Russe hatte schon lange einen Hass auf New York City und den Smog und die weit überschätzte Weltstadt. Für ihn war sie dreckig, unvorstellbar verdorben; die Menschen waren rüde und unzivilisiert, sogar noch schlimmer als die in Moskau.
Aber heute musste er hier sein. Hier lebte das Paar und er hatte mit den beiden etwas zu erledigen. AuÃerdem wollte der Wolf Schach spielen, eine seiner Leidenschaften.
Long
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