Vor aller Augen
war voll, aber ich entdeckte sie schnell. Es war leicht, da sie die einzige Frau war. AuÃerdem waren Monnie und ich im Command Post augenscheinlich die Einzigen, die nicht bei den Marines waren.
»Am Telefon konnte ich mit Ihnen in Quantico nicht darüber sprechen. Ekelhaft, oder? Aber wem kann man trauen?«, sagte sie, als ich zu ihr trat.
»Mir können Sie trauen. Selbstverständlich erwarte ich nicht, dass Sie mir das glauben, Monnie. Sie haben Neuigkeiten?«
»Allerdings. Und zwar meiner Meinung nach sogar gute.«
Ich setzte mich auf den Hocker neben Monnie. Der Barkeeper kam und wir bestellten Bier. Monnie begann, sobald er gegangen war. »Ich habe einen guten Freund beim ERF in Quantico.«
»Sie scheinen überall Freunde zu haben.«
»Stimmt. Allerdings wohl nicht im Hoover Building. Also, mein Freund hat meine Aufmerksamkeit auf eine Meldung gelenkt, die das FBI vor wenigen Tagen bekommen, aber als schlechten Scherz abgetan hat. Es geht um eine Website, die Wolfsbau heiÃt. Angeblich kann man dort eine
Liebhaberin oder einen Liebhaber kaufen, die dann wohl entführt werden. Angeblich ist es unmöglich, diese Website zu knacken. Das ist der Haken.«
»Und wie ist unser Hacker reingekommen?«
» Sie ist ein Genie. Ich nehme an, deshalb hat man sie ignoriert. Möchten Sie sie treffen? Sie ist vierzehn Jahre alt.«
65
Monnie hatte eine Adresse der Hackerin in Dale City, Virginia, nur zwölf Meilen von Quantico entfernt. Der Agent, der den ursprünglichen Anruf entgegengenommen hatte, hatte ihn nicht sehr gründlich bearbeitet. Deshalb würde er â unserer Meinung nach â gewiss nichts dagegen haben, wenn wir seine Arbeit erledigten.
Eigentlich hatte ich Monnie nicht mitnehmen wollen, aber sie bestand darauf. Wir stellten ihren Wagen bei ihrem Haus ab und fuhren mit meinem nach Dale City. Ich hatte vorher telefoniert und mit der Mutter des Mädchens gesprochen. Sie klang nervös, meinte aber, sie sei froh, dass das FBI endlich mit Lili sprechen wolle. Sie fügte hinzu: »Niemand kann Lili lang ignorieren. Sie werden sehen, was ich meine.«
Ein junges Mädchen in schwarzem Overall öffnete die Tür. Ich nahm an, es sei Lili, aber da irrte ich mich. Annie war die zwölfjährige Schwester, aber sie sah aus wie vierzehn. Sie bat uns ins Haus.
»Lili ist in ihrem Laboratorium«, sagte Annie. »Wo sonst?«
Dann trat Mrs. Olsen aus der Küche und wir stellten uns vor. Sie trug eine schlichte weiÃe Bluse und einen grünen Cordsamtrock und hielt einen fettigen Spatel in der Hand. Unwillkürlich dachte ich, wie normal diese häusliche Szene war. Besonders, wenn es stimmte, was Lili entdeckt hatte. Hatte die Vierzehnjährige eine mögliche Spur gefunden, die uns den Entführern näher brachte? Ich hatte gehört, dass Fälle schon auf eigenartigere Weise gelöst wurden. Und dennoch â¦
»Wir nennen sie Dr. Hawking. Wie Stephen Hawking. Sie hat einen so hohen IQ«, sagte ihre Mutter und hob den Spatel, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »So gescheit Lili auch ist, sie lebt nur von Sprite und Pixie Stix. Ich bin machtlos. Ich kann ihre Essgewohnheiten nicht ändern.«
»Ist es okay, wenn wir jetzt mit Lili sprechen?«, fragte ich.
Mrs. Olsen nickte. »Sie nehmen die Sache also ernst.
Das empfiehlt sich auch bei Lili. Sie denkt sich so etwas nicht aus, das können Sie mir glauben.«
»Nun, wir wollen nur mit ihr sprechen. Wir sind nicht sicher, ob es sich um etwas Ernstes handelt.«
»Oh, das ist es bestimmt«, erklärte Mrs. Olsen. »Lili macht nie einen Fehler. Bis jetzt jedenfalls nicht.«
Sie deutete zur Treppe. »Zweite Tür rechts. Sie hat zur Abwechslung mal nicht abgeschlossen, weil sie Sie erwartet. Sie hat uns befohlen, drauÃen zu bleiben.«
Monnie und ich gingen nach oben. »Sie hat keine Ahnung, worum es sich handeln könnte, oder?«, flüsterte sie.
»Ich hoffe fast, dass es eine Sackgasse ist.«
Ich klopfte an eine Holztür, die hohl klang.
»Es ist offen«, rief eine hohe Stimme. »Kommen Sie rein.«
Ich öffnete die Tür und sah Lilis Zimmer. Fichtenmöbel, ein Bett mit zerknitterter Wäsche mit Kuhmuster, an den Wänden Poster vom MIT, von Yale und Stanford.
Hinter einer blauen Halogenlampe saà vor einem Laptop ein junges Mädchen â dunkle Haare, Brille und Zahnspange.
Weitere Kostenlose Bücher