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Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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das lohnt?«
    »Es lohnt sich!«, gab sie mir zur Antwort und nickte eifrig. »Glauben Sie mir, Rupert, Bedenken sind nicht angebracht.«
    »Sie sind wirklich erstaunlich!«, entfuhr es mir. Und ich begriff, dass es vor allem dieses unerschütterliche Vertrauen ins eigene Tun und Denken war, das mich an Eva Booth vom ersten Moment an fasziniert hatte. Vielleicht weil ich selbst so wenig davon besaß und mit allem und nicht zuletzt mit mir selbst ständig haderte. Anders als ich wusste Eva genau, was sie wollte und wie sie es zu erreichen gedachte. Das war zugleich beeindruckend und beängstigend. Und deshalb fügte ich kopfschüttelnd hinzu: »Erstaunlich und unheimlich.«
    Sie lachte erschrocken auf, drückte zum Abschied meine Hand und sagte: »Entschuldigen Sie mich, Rupert. Ich werde gebraucht.« Doch plötzlich hielt sie inne, kam mir ganz nahe, gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte: »Seien Sie gut, mein Freund!«
    Ich nickte und sagte: »Ay, Captain!«

5
    Beim Abendessen wurde wenig gesprochen. Vater war noch nicht wieder zurück, und Mortimer hatte so üble Laune, dass ihm außer knurrigen Halbsätzen und einigen Floskeln kaum etwas entschlüpfte. William hatte sich entschuldigen lassen und geschäftliche Verpflichtungen vorgeschoben, obwohl wir anderen ahnten, dass er bei seiner niedlichen Schneiderin in der Bond Street war und sich den Feierabend versüßen ließ. Seine Frau Betty hatte es vorgezogen, allein im Crown Hotel zu essen. Mortimer sprach mich nicht auf die anstößigen Ereignisse des Tages an, und auch seine Frau Deborah, der die Neugier förmlich aus den Augen quoll, wagte es nicht, das heikle Thema anzuschneiden. Auf ihre mit bedeutsamem Augenaufschlag vorgetragenen Fragen, wie es mir gehe und ob alles in Ordnung sei, antwortete ich einsilbig mit »Gut« und »Ja« und amüsierte mich heimlich über ihre sichtlich enttäuschte Miene. Aus Andeutungen ihrerseits schloss ich, dass im Laufe des Tages mehrere Telegramme und Anrufe von Mr. Barclay und meinem Vater eingegangen waren, doch Mortimer unterband jede weitere Unterhaltung, indem er mürrisch zischte: »Das hat Zeit bis später. Wenn Vater da ist. Sein Zug kommt gegen neun in der Liverpool Street an.«
    »Liverpool Street?«, wunderte ich mich. »Bellamy sagte doch, Vater sei an der Südküste. Von der Liverpool Street fahren keine Züge nach Süden, sondern nach Osten. Bist du sicher?«
    »Im Telegramm hieß es: ›Liverpool Street‹«, knurrte Mortimer.
    »Von wo kam das Telegramm?«
    »Colchester, glaube ich«, sagte er achselzuckend.
    »Colchester in Essex?«
    »Kennst du ein anderes?«, antwortete er und schnitt übellaunig einen Streifen von seinem blutigen Roastbeef.
    Ich schüttelte den Kopf, stand auf, entschuldigte mich und ging auf mein Zimmer. Um mich hinzulegen und in aller Ruhe nachzudenken. Und mir die richtigen Fragen zu überlegen.
    Als es an der Tür klopfte, fuhr ich auf der Chaiselongue hoch und stellte bei einem Blick auf meine Taschenuhr fest, dass ich zwischenzeitlich eingeschlafen war. Es war kurz vor zehn, und der Etagendiener teilte mir mit, dass mein Vater und meine beiden Brüder im Raucherzimmer auf mich warteten.
    Aus einer Waschschüssel neben der Liege spritzte ich mir etwas Wasser ins Gesicht, kramte aus einer Ledermappe die braune Papiertüte mit dem Stempel der Gebrüder Taylor hervor und ging über den Flur. Obwohl sich sämtliche Vorzeichen seit meinem letzten Gespräch mit meinem Vater grundlegend verändert hatten, war ich fürchterlich aufgeregt. Gerade so, als ob ich etwas zu befürchten hätte.
    Mein Vater erwartete mich bereits in der Tür. Er nickte mir mit einem ernsten Blick zu, sagte aber keinen Ton, sondern wies ins Zimmer, wo Mortimer und William mit glimmenden Zigarren und nachdenklichen Mienen am Rauchertisch saßen und gleichfalls schwiegen. Erst als die Tür hinter mir geschlossen war, murmelte Vater: »Ich weiß bereits über alles Bescheid, mein Junge.«
    »Worüber?«, fragte ich und widerstand dem Impuls, mir eine Zigarette anzuzünden. »Redest du von den Barclays?«
    »Wovon sonst?«, knurrte er mich an und zupfte nervös an seinem Bart. »Mortimer hat mir alles erzählt. Außerdem hat Barclay mehrere Telegramme geschickt. Und ein Bote kam vorhin mit einem Schreiben seines Anwalts. Hab’s gerade gelesen. Mein Gott, ist denn so was zu fassen!«
    »War’s schön in Essex?«, unterbrach ich ihn.
    »Was redest du denn da, Junge?« Seine Augen funkelten mich wütend an. »Es

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