Vor dem Fest
drinnen.
»Was machen wir mit dem Fenster?«
Herr Schramm: »Ich kümmer mich darum.«
»Das Fest darf nicht beeinträchtigt werden.«
»Johanna, ich mach das. Wir bringen euch nach Hause.«
Das sei nicht nötig, sagt Johann. Frau Schwermuth nickt und hakt sich bei ihrem Sohn ein. Anna und Herr Schramm sehen ihnen hinterher: Er, dürr wie Mais, sagen wir, auch mit so einer Frisur, die Haare stehen nach links und rechts ab, wie, ja, Blätter vom Mais. Und sie: Frau Schwermuth eben.
Im Weggehen sagt sie etwas kleinlaut: »Jo, du musst morgen ein paar Sachen für mich übernehmen. Ich kann ja so nicht.«
»Was denn?«
»Erst mal das antifaschistische Radfahren um zwölf.«
Da habe er die Glöcknerprüfung, sagt Johann.
»Oh.« Frau Schwermuth bleibt stehen: »Daraus wird wohl nichts. Ich weiß, das klingt jetzt komisch, aber eure Glocken stehen unten am See …« Und so weiter, alles müssen wir nicht hören, wir wissen, die beiden sind beieinander sicher.
Wir sind historisch an Frau Schwermuth interessiert und an solchen wie ihr, solchen mit ihrem Kopf. Sie hatte ihn für das Fest extra frisieren lassen. Jetzt ist das Haar von der Pickelhaube geplättet. Sie setzt die noch mal auf. Johann den Zylinder. Sie biegen um die Ecke und verlassen unsere Nacht.
ZUM ANNENFESTE 1929 wurde die Schützengilde vor dem Hause des neuen Schützenkönigs, Herrn Werner Schramm, photographiert. Das Bild ist leider überhaupt nicht gelungen. Man erkennt keine Gesichter, unsere Uniformen sehen aus wie Schlafröcke, es ist ein Desaster, man müsste diesen Schliebenhöner mit der Reitpeitsche aus dem Dorf jagen, diesen Scheißkerl. Das Bild mit Rahmen kostet 5 RM .
AUF EINER FLÄCHE AUS GEPRESSTEM HOLZ , UMGEBEN VON MENSCHENBAUTEN UND HUNDETRÄUMEN , hockt die Fähe vor dem Behälter, in dem sie Ei weiß. Ihr Balg klebt vom Regen, sie schmeckt das eigene Blut, ihr Lauf schmerzt.
Die Fähe berührt den Behälter mit den Branten.
Die Fähe kratzt. An den Seiten. Oben.
Die Fähe beißt in den Behälter.
Die Fähe klettert auf den Behälter. Die Fähe springt auf dem Behälter, macht sich schwer, springt und springt und tut sich beim Aufkommen weh und springt und springt. Die Fähe stemmt die Stirn gegen den Behälter wie ein kleiner Stier. Sie findet auf der nassen Oberfläche keinen Halt.
Oben ist heller. Sie beißt in das Helle. Das Helle bewegt sich, das Dunkle nicht. Die Fähewedeltmit der Lunte.Die Fähe zerrt am Hellen. Das Helle schnappt kurz hoch, als sie loslässt. Die Fähe schiebt die Schnauze unter das Helle. Sie hebt die Schnauze, und das Helle hebt sich. Die Fähe versteht.
Die Fähe ist nicht allein.
Gegenüber lehnen zwei am Stein, betrachten ihr Ringen. Die Fähe hält inne, einer kommt näher, ist so nah, müsste den Arm nur strecken, schon wäre er da, doch kann ihn die Fähe nicht schmecken, will fliehen, will sich verstecken. Die beiden sind ohne jedes Aroma. Sie bleibt. Der andere betritt den Kasten aus Metall, der Menschen schnell über Land bringt. Rhythmisches bammelt in der Luft. Die Fähe wedelt dazu mit der Lunte, kann nicht anders.
Der Erste streckt den Fangarm nach ihr aus, die Krallen gespreizt. Die Fähe huscht hinter den Behälter, zum Rückzug bereit, der verletzte Seher pocht vor Schmerz. Der Mensch hebt aber bloß das Helle an.
She’s a killer on the road.
Der Mensch ruft einen leisen Menschenton. Ihr Drang zu fliehen schwindet. In seinem Ruf schmeckt die Fähe endlich etwas. In den Lauten des Menschen ohne Aroma schmeckt die Fähe Sprache. Er ruft sie sanft.
Ein Männchen tritt aus dem Bau. Mit seinem Aroma ist der Behälter markiert.
A fire going cold.
Er krächzt, geht auf die Fähe zu, aber der ohne Aroma tritt zu ihm, ruft etwas, das Männchen bleibt stehen. Gut. Die Fähe stellt sich gegen den Behälter auf die Hinterläufe, das Aroma von Ei schwappt heraus, sie will sich am Rand hochziehen, rutscht auf dem nassen Holz, lässt nicht los und reißt den Behälter mit sich um, das Drinnen kippt ihr entgegen. Eier bersten auf dem Stein, sie schmeckt schon den Stiefel von dem Männchen, knurrt,
A barrel of a gun
schnappt nach ihm, nein – schnappt nach einem herausgefallenen Gehäuse, stößt die Beißer in die hartweiche Hülle, türmt mit eingezogener Lunte, flüchtet,
A villain on the run.
Das verdutzte Männchen und ihre Komplizen bleiben zurück.
Bravo, feine Räuberin.
IM JAR 1611, DEN 27. APRILIS, ist auf dem Felde beim Geherschen Gehoffte eine trechtige Wölffin in
Weitere Kostenlose Bücher