Vor dem Frost
Da saß er und sah zu, wie die Feuerwehrleute vergeblich versuchten, die Kirche zu retten. Er fragte sich, ob die Polizei es schaffen würde, in die Kirche zu gelangen, bevor das Dach einstürzte.
Er saß dort im Dunkeln und sah zu den Flammen hinüber. Eines Tages würde seine Tochter kommen und ihm Gesellschaft leisten, wenn die Feuer brannten, dachte er.
An diesem Abend und in der Nacht brannten zwei Kirchen in Schonen bis auf den Grund nieder. Die Hitze war so stark, daß in der Morgendämmerung des folgenden Tages nur zwei leere, verkohlte Ruinen übrig waren. In Hurup stürzte der Glockenturm ein. Die Menschen, die sich in der Nähe befanden, meinten, das Dröhnen der Glocken wie einen Schrei in äußerster Not gehört zu haben. Die Kirchen lagen in der gleichen Gegend von Schonen, in einem Dreieck zwischen Staffanstorp, Anderstorp und Ystad.
Doch es brannten nicht nur zwei Kirchen. In Frennestad machte der Küster, der nebenan wohnte und der erste war, der in die Kirche lief, um wenn möglich die wertvollen mittelalterlichen Meßgewänder zu retten, eine Entdeckung, die ihn fortan für immer verfolgen sollte. Vor dem Altar lag eine Frau von etwa dreißig Jahren. Sie war mit einem Tau erdrosselt worden, das jemand so fest um ihren Hals zusammengezogen hatte, daß der Kopf fast vom Rumpf abgetrennt war. Schreiend lief er hinaus und fiel vor der Tür der brennenden Kirche in Ohnmacht.
Das erste Feuerwehrauto aus Staffanstorp erreichte die Kirche ein paar Minuten später. Es war eigentlich auf dem Weg nach Hurup gewesen, als die Männer einen neuen Einsatzbefehl erhielten. Keiner der Feuerwehrmänner begriff richtig, was geschehen war. War der erste Alarm ein Irrtum, oder waren es zwei verschiedene Kirchen, die brannten? Der Brandmeister Mats Olsson war ein besonnener Mann, er fand den Küster vor der Kirchentür. Er ging selbst in die Kirche, um nachzusehen, ob noch andere Menschen im Innern waren. Als er die tote Frau vor dem Altar fand, faßte er einen Entschluß, für den die Polizei ihm noch dankbar sein sollte.
Das Natürliche wäre gewesen, die Tote hinauszubringen, bevor die ganze Kirche in Flammen stand. Doch Mats Olsson sah, daß es sich um nichts anderes handeln konnte als Mord. Deshalb mußte die Polizei den Tatort sehen, wie er war. Er hatte natürlich auch den Verdacht, daß der Mord von dem Mann begangen worden sein konnte, der ohnmächtig vor der Tür lag und jetzt langsam wieder zu sich kam.
In den Minuten, in denen die beiden Notrufe die Polizei erreichten, herrschten Ungewißheit und Verwirrung. In dem Augenblick, in dem Kurt Wallander sich vom Eßtisch erhob, glaubte er, er würde nach Hurup fahren, weil die Meldung eingegangen war, dort liege eine tote Frau vor dem Altar. Er hatte Wein zum Essen getrunken und forderte einen Wagen an, der ihn fuhr. Er ging hinunter auf die Straße, wo kurz darauf das Polizeiauto bremste.
Gerade als sie Ystad verließen, kam die Mitteilung, es liege ein Mißverständnis vor. In Hurup brannte die Kirche, aber die tote Frau war nicht dort, sondern in der Kirche von Frennestad. Martinsson, der fuhr, fing an, den Mann am Notruftelefon anzuschreien, um herauszufinden, wie viele Kirchen eigentlich brannten.
Kurt Wallander hatte während der gesamten Autofahrt vollkommen reglos und schweigend dagesessen. Nicht nur, weil Martinsson wie üblich miserabel fuhr. Er dachte, daß das, was er befürchtet hatte, jetzt eingetreten war, daß die Tiere, die verbrannt worden waren, nur einen Eröffnungszug darstellten. Irre, dachte er, Satanisten, Verrückte. Aber es gelang ihm nicht, sich zu überzeugen. Während sie durch die Dunkelheit fuhren, ahnte er eine Logik in allem, was geschah, ohne schon klar sagen zu können, was dies eigentlich bedeutete.
Als sie vor der brennenden Kirche in Frennestad eintrafen, war das Bild klar. Zwei Kirchen hatten fast gleichzeitig zu brennen angefangen. In Frennestad lag außerdem eine tote Frau vor dem Altar. Sie begrüßten Mats Olsson. Martinsson war irgendwie mit ihm verwandt. In der großen Verwirrung und der Hitze durch die Flammen hörte Kurt Wallander zu seiner Verblüffung, wie die beiden rasch Grüße an ihre Frauen austauschten. Dann gingen sie hinein. Martinsson ließ Kurt Wallander immer als ersten gehen, wenn sie zu einem Tatort kamen. Die Frau lag mit dem Tau um den Hals vor dem Altar. Kurt Wallander fixierte das Bild, das er vor sich hatte. Etwas sagte ihm, daß es arrangiert war.
Er wandte sich zu Mats Olsson um, der
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