Vor dem Frost
unter dieser Nummer einen Kriminalbeamten namens Wallander?«
»Wie ist denn Ihr Name?«
»Erreiche ich ihn oder nicht?«
Die Frau sprach ein gepflegtes Schonisch mit Rachen-R. Es ist kaum eine Putzfrau aus dem Präsidium, dachte Linda.
»Er ist gerade nicht zu sprechen. Von wem soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Anita Tademan auf Schloß Rannesholm.«
»Wir sind uns schon einmal begegnet. Ich bin seine Tochter.«
Die Frau überhörte ihren Kommentar völlig. »Wann kann ich ihn sprechen?«
»Sobald er aus dem Badezimmer kommt.«
»Es ist dringend.«
Linda notierte die Telefonnummer. Und setzte Kaffeewasser auf. Als das Wasser kochte, kam er in die Küche. Er war so in seine Gedanken vertieft, daß er nicht einmal erstaunt war, sie zu sehen.
»Anita Tademan hat angerufen. Sie sagte, es sei wichtig.«
Er warf einen Blick auf die Uhr. »Das muß es sein. Um diese Uhrzeit.«
Sie wählte die Nummer und reichte ihm den Hörer.
Während er mit Anita Tademan sprach, durchsuchte Linda den Küchenschrank und stellte fest, daß kein Kaffee mehr da war.
Linda hörte, daß ihr Vater eine Zeit verabredete. Dann legte er auf.
»Was wollte sie denn?«
»Mich treffen.«
»Warum?«
»Um mir etwas zu erzählen, was sie von einem Verwandten gehört hat, der in einem Haus auf den Ländereien von Rannesholm wohnt. Sie wollte nicht am Telefon darüber sprechen, sondern ich soll zum Schloß hinauskommen. Sie hält sich wohl für zu fein, auf dem Polizeipräsidium zu erscheinen. Aber da habe ich ihr die Meinung gesagt. Das hast du vielleicht gehört.«
»Nein.«
Er murmelte etwas Undeutliches und begann, im Schrank nach Kaffee zu suchen.
»Es ist keiner mehr da«, sagte Linda.
»Bin ich eigentlich der einzige hier, der darauf achten muß, daß wir Kaffee im Haus haben?«
Linda wurde sofort ärgerlich. »Ich glaube, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schön es für mich sein wird, hier auszuziehen. Ich hätte nie zurückkommen sollen.«
Er machte eine entschuldigende Geste mit den Armen. »Es ist vielleicht am besten so«, sagte er. »Eltern und Kinder sollten nicht zu eng aufeinanderhocken. Aber wir haben jetzt keine Zeit, uns zu streiten. Beide nicht.«
Sie tranken Tee und blätterten jeder einen Teil der Morgenzeitung durch. Keiner von beiden konnte sich konzentrieren.
»Ich möchte, daß du mitkommst«, sagte er. »Zieh dich an. Ich will dich in der Nähe haben.«
Linda duschte und zog sich so schnell wie möglich an. Aber als sie fertig war, hatte er das Haus schon verlassen. Eine Nachricht war auf den Zeitungsrand gekritzelt. Sie entnahm ihr, daß er in Eile sei. Er ist genauso ungeduldig wie ich, dachte sie.
Sie schaute aus dem Fenster. Das Thermometer zeigte noch immer Hundstagetemperatur an. Zweiundzwanzig Grad. Es regnete. Sie hastete im Laufschritt zum Präsidium. Es ist wie auf dem Schulweg, dachte sie. Die gleiche Angst, zu spät zu kommen.
Ihr Vater telefonierte. Er winkte sie in sein Zimmer. Linda setzte sich auf den Besucherstuhl. Die Porzellanscherben lagen noch auf dem Tisch. Er legte den Hörer auf und erhob sich. »Komm mit.«
Sie gingen zu Stefan Lindman hinein. Ann-Britt Höglund lehnte mit einem Kaffeebecher in der Hand an der Wand. Ausnahmsweise schien sie von Linda Notiz zu nehmen. Jemand hat es ihr gesagt, dachte Linda. Mein Vater wohl kaum. Vielleicht Stefan Lindman.
»Wo ist Martinsson?« fragte Ann-Britt Höglund.
»Er hat gerade angerufen. Eins seiner Kinder ist krank, er kommt etwas später. Aber er wollte von zu Hause aus telefonieren und versuchen, mehr über diese Sylvi Rasmussen in Erfahrung zu bringen.«
»Über wen?« fragte Ann-Britt Höglund.
»Warum drängen wir uns hier?« sagte Kurt Wallander. »Wir setzen uns ins Sitzungszimmer. Weiß jemand, wo Nyberg ist?«
»Er hat noch mit den Kirchen zu tun.«
»Was glaubt er wohl, da noch finden zu können?«
Der letzte Kommentar kam von Ann-Britt. Linda ahnte, daß sie zu denen gehörte, die sich auf den Tag freuten, an dem Nyberg pensioniert würde.
Ihre Besprechung dauerte drei Stunden und zehn Minuten, bis jemand an die Tür klopfte und sagte, daß Wallander Besuch von Anita Tademan habe. Linda fragte sich, ob die Sitzung damit ihren Abschluß gefunden hatte. Aber niemand zeigte sich erstaunt oder unzufrieden, als ihr Vater aufstand.
Auf dem Weg hinaus blieb er neben ihrem Stuhl stehen. »Anna«, sagte er. »Rede weiter mit ihr, besuch sie, hör ihr zu.«
»Ich weiß nicht, worüber ich reden und was ich tun
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