Vor dem Frost
es aufschlug, lagen darin zwei Schlüssel.
Hakan Holmberg erkannte sie sofort. »Das sind die Schlüssel, von denen ich Dubletten angefertigt habe.«
Er stand auf und verschwand in der Schmiede.
»Das könnte was bringen«, sagte Stefan Lindman. »Ein seltsamer Mann. Aber er scheint ein gutes Gedächtnis und eine gute Beobachtungsgabe zu haben.«
Hakan Holmberg kam zurück. Er hatte ein altmodisches Journal in der Hand und blätterte darin rückwärts bis zur richtigen Seite. »Hier, am 12. Juni. Herr Lukas liefert zwei Schlüssel ab. Er bittet um Dubletten bis spätestens zum 25. Es ist knapp, weil ich eine Menge anderer Dinge zu tun habe. Aber er bezahlt gut. Auch ich muß Geld verdienen, einerseits, um die Schmiede betreiben zu können, andererseits, um mir einmal im Jahr eine Reise leisten zu können.«
»Was für eine Adresse hat er angegeben?«
»Gar keine.«
»Telefonnummer?«
Hakan Holmberg drehte das Journal zu Stefan um. Der nahm ein Handy und wählte eine Nummer. Er lauschte und schaltete das Handy aus.
»Ein Blumengeschäft in Bjärred«, sagte er. »Wir können davon ausgehen, daß Herr Lukas nichts mit ihm zu tun hat. Und was geschah dann?«
Holmberg blätterte vorwärts. »Ich führe es wie ein Logbuch«, sagte er. »Diese Schmiede ist zwar kein Schiff. Aber die Hammerschläge auf den Amboß klingen trotzdem wie eine Schiffsmaschine. Am 25. Juni holte er die Schlüssel ab und verschwand.«
»Wie bezahlte er?«
»Bar.«
»Was für eine Quittung haben Sie ihm geschrieben?«
»Gar keine. Nur für meine eigene Buchführung. Ich habe es mir zur Regel gemacht, meine Steuern zu bezahlen. Auch wenn dies eine ideale Gelegenheit gewesen wäre, sie zu unterschlagen.«
»Beschreiben Sie den Mann.«
»Groß, blond, etwas schütteres Haar in der Stirn. Freundlich, sehr freundlich. Als er die Schlüssel abgab, trug er einen Anzug, als er sie abholte, ebenso, aber einen anderen.«
»Wie kam er her?«
»Ich kann von der Werkstatt aus die Straße nicht sehen. Ich nehme an, daß er mit dem Wagen kam.«
Linda sah, daß Stefan Lindman zur nächsten Frage ansetzte. Sie ahnte, was er fragen würde.
»Können Sie beschreiben, wie der Mann sprach?«
»Er sprach mit einem Akzent.«
»Was für einem?«
»Skandinavisch. Nicht finnisch, auch kaum isländisch. Also dänisch oder norwegisch.«
»Wie können Sie sicher sein, daß es nicht isländisch war? Finnisch, das leuchtet mir ein, aber isländisch? Ich weiß nicht einmal, wie es sich anhört.«
»Aber ich weiß es. Ich besitze eine wunderbare Aufnahme von einem isländischen Schauspieler, Pitur Einarson, der die isländischen Sagas in der Originalsprache liest.«
»Können Sie über den Mann noch mehr sagen?«
»Nein.«
»Sagte er, daß es Kirchenschlüssel wären?«
»Er sagte, es seien Schlüssel für einen Keller in einem Schloß.«
»In welchem Schloß?«
Hakan Holmberg klopfte die Pfeife aus und runzelte die Stirn.
»Ich glaube, er hat den Namen gesagt, aber er fällt mir nicht mehr ein.«
Sie warteten. Holmberg schüttelte den Kopf.
»Kann es Rannesholm gewesen sein?« fragte Linda. Jetzt war es wieder passiert. Die Frage war ihr einfach so herausgerutscht.
»Richtig«, sagte Hakan Holmberg. »Eine alte Brennerei auf Rannesholm. Jetzt erinnere ich mich. Das hat er gesagt.«
Stefan Lindman hatte es plötzlich eilig. Er trank seinen Kaffee aus und stand auf. »Dann bedanken wir uns«, sagte er. »Sie haben uns wertvolle Hinweise gegeben.«
»Wenn man mit Schlüsseln arbeitet, kann das Leben nie inhaltsleer werden«, sagte Holmberg und lachte. »Zu verschließen und zu öffnen ist die eigentliche Aufgabe des Menschen auf der Erde. Durch die ganze Geschichte hindurch klirren Schlüsselbunde. Jeder Schlüssel, jedes Schloß hat seine Geschichte. Und jetzt haben wir einander wieder eine zu erzählen.«
Er begleitete sie hinaus.
»Wer war Vergil?« fragte Linda.
»Dantes Begleiter«, antwortete er. »Und selbst ein großer Dichter.«
Er lüpfte seinen lädierten Hut zum Abschied und verschwand wieder durch die Haustür. Sie setzten sich ins Auto.
»Meistens trifft man ängstliche, erschütterte, verärgerte Menschen«, sagte Stefan Lindman. »Doch es gibt auch Lichtblicke. Wie diesen Mann. Ich stecke ihn mir in mein Archiv von Personen, an die ich mich erinnern will, wenn ich alt werde.«
Sie verließen Sjöbo. Linda sah ein Schild, das zu einem kleinen Hotel wies. Sie kicherte. Er sah sie an, fragte aber nichts. Das Handy
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