Vor dem Regen - Roman
nirgendwohin, stimmt’s, Alter? Jetzt wird’s ja grade erst lustig«, protestierte Beefy.
»2002?«, fragte Tissues.
»Media Puzzle«, erwiderte Gerard.
Den Rest hörte Dusty sich nicht mehr an.
Sie ging wieder auf das Zimmer, duschte noch einmal, putzte sich die Zähne und legte sich ins Bett. Sie fand keinen Schlaf - das ungewohnte Bett im ungewohnten Zimmer, das Rattern der Klimaanlage, das Plärren des Fernsehers von links und ein Pärchen, das es miteinander trieb, von rechts und, was am schlimmsten war, ihr schlechtes Gewissen.
Nicht nur Ron hatte an diesem Wochenende jemanden angeschmachtet - auch Dusty hatte geflirtet. Natürlich konnte sie sich darauf herausreden, dass es rein beruflich gewesen war, dass sie nur versucht hatte, ihn ein wenig aus der Reserve zu locken, damit er etwas über Gardner preisgäbe. Aber heiligte der Zweck wirklich die Mittel, vor allem, wenn das Ergebnis derart dürftig war? Bis zu dem Moment, als man sie dringend nach Darwin zurückbeorderte - bei Humpty Doo hatte es einen Mord gegeben -, hatten sie so gut wie nichts gegen Gardner in die Hand bekommen. Und war es wirklich rein beruflich? James war eben ausgezogen und hatte nicht nur seine Radiohead-CDs, sondern auch Dustys Selbstachtung mitgenommen. Es war schön gewesen, wieder mal zu flirten, sich endlich wieder einmal anschmachten lassen zu können. Fontana hatte recht - sie beide hatten diese Leute wirklich total verarscht .
Irgendwann schlief sie dann doch ein, nur um sich vom Kratzen eines Schlüssels wecken zu lassen, der wieder und wieder versuchte, den Weg ins Schlüsselloch zu finden. Endlich torkelte Gerard ins Zimmer und brach auf dem Sofa zusammen.
Als Dusty um sieben frühstücken ging, war aus dem zudringlichen Geschäftsführer ein zudringlicher Kellner geworden.
»Einen wunderschönen guten Morgen allerseits.«
»Für mich die Eier mit Speck«, erwiderte Dusty.
»Der Jezza hat’s ganz schön krachen lassen, was?«
»Bitte?«
»Ihr Zimmergenosse.«
»Und einen richtig starken Kaffee, aber Flat White «, sagte Dusty.
Wieder war das Essen gut. Und wieder war der Kaffee es nicht. Dusty ging zurück aufs Zimmer, wo der Mann, der einmal Gerard gewesen war, sich keinen Millimeter gerührt hatte. Jetzt bemerkte sie auch, dass er statt des fliederfarbenen Teils, in dem sie ihn zuletzt gesehen hatte, ein etliche Nummern zu kleines AC/DC-T-Shirt trug. Außerdem steckte ein Bumerang im Bund seiner Schlottershorts. Jetzt wurde ihr einiges klar - die Ausrede mit dem L 4 -L 5 -Bandscheibenvorfall war, wie Dusty von Anfang an vermutet hatte, Blödsinn. Genauso wie die Hat-total-die-Nerven-verloren-Geschichte von Alex. Gerard hatte ein Problem - Alkohol, Drogen, was auch immer, und deswegen hatte man ihn dezent aus dem aktiven Dienst in den Schuppen abgeschoben.
»Gerard!«, sagte sie.
Keine Reaktion.
»Jezza!«, rief sie und schüttelte ihn nicht eben zärtlich an der Schulter.
Er regte sich, blinzelte sich den Schlaf aus den Augen. Dusty war klar, dass es keinen Sinn hatte, wütend zu werden. Viele Leute hatten ein Problem - sie waren Alkoholiker oder Junkies oder einfach nur fertig. Manche waren selbst
schuld, andere nicht, aber so oder so, mit einem Wutanfall erreichte man gar nichts.
»Ich bin bis Mittag wieder da, okay? Schlaf du dich erst mal aus.«
Verdeckte Ermittlungen waren heute nicht angesagt, nur die altmodische, nervtötende Polizeiroutine - anklopfen, Fragen stellen. Gerard grummelte etwas Unverständliches.
»Was?«, blaffte Dusty und ermahnte sich dann, nicht böse zu werden.
Gerard wälzte sich vom Sofa und torkelte ins Bad. Es folgte eine bunte Auswahl an Schluck- und Würgelauten. Als er wieder zum Vorschein kam, hatte er ein nasses Gesicht und die Artikulationsfähigkeit wiedererlangt.
»Brian Jonsberg«, sagte er.
»Was?«
»Gardners bester Freund zu Schulzeiten. Heißt Brian Jonsberg.«
»Woher willst du das wissen?«
»Von Ali.«
»Und wer ist dieser Ali?«
Gerard hielt den Bumerang hoch. »Der Aborigine, von dem ich das hier hab.«
»Kumpel, die haben uns verarscht. Unsere Tarnung ist aufgeflogen. Dieser Ali hat sich einen Spaß mit dir erlaubt.«
»Dann willst du den Rest also nicht hören?«
»Natürlich will ich es hören.«
Bevor er aber fortfahren konnte, musste Gerard dringend noch einmal ins Bad, wo er erneut schluckte und würgte und sich einen Schluck Wasser genehmigte.
»Mitte der Achtziger ging es hier in Kanulla echt übel zu. Tote Katzen lagen rum.
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