Vor dem Sturm (German Edition)
geht klimpernd zu Ende, und die Ansagerin spricht mit einer weichen, ruhigen Stimme, die fast so tief klingt wie die eines Mannes.
»Hurrikan Katrina ist inzwischen zu einem Hurrikan der Kategorie drei angewachsen. Er soll im Laufe des Montagvormittag bei Buras-Triumph in Louisiana auf Land treffen. Das
National Hurricane Center
hat für den Südosten von Louisiana und die Küstengebiete von Mississippi und Alabama eine Hurrikan-Warnung herausgegeben. Hier auf JZ94.5 werden wir Sie über die Entwicklung des Sturms –« Randall schaltet das Radio aus. Skeetah bewegt die Lippen und schaut auf den Boden. Seine Augenbrauen, die so dunkel und gerade sind, dass sie wie aufgemalt wirken, treffen sich und bilden einen Haken. Daddys machen das auch. Meine sind so fein, dass man sie kaum sehen kann.
»Ich muss zum Laden, um ein paar Sachen zu besorgen. Verband und so«, sagt Skeetah.
»Dann bring ein paar Konserven mit.« Randall rollt die Augen.
»Dafür hab ich kein Geld.«
»Und womit wolltest du dann –« Randall hält mitten im Satz inne. »Scheiße. Ich hol was aus Daddys Brieftasche. Nimm das Billigste. Irgendwas in Dosen. Wir werden nichts kochen können.«
»Weiß ich«, sagt Skeetah.
»Ich hätte lieber nicht fragen sollen.« Randall reibt sich den Kopf. »Lass dich nicht erwischen.«
»Mach ich nicht.«
»Wie fährst du hin?«
»Ich hab Big Henry schon angerufen.«
»Beeil dich und komm schnell wieder.« Randall schaltet das Radio wieder ein. Der Rapper klingt wie ein Eichhörnchen. Randall fängt an, an dem Knopf rumzuspielen, beugt sich dann aber noch mal nach draußen. »Wir brauchen deine Hilfe!«
»Jepp«, sagt Skeetah. Er wischt sich den Wasserschal ab, und er verläuft zu einer Krawatte, die zwischen seinen Rippen hinabrinnt. Die Luft ist so heiß und schwül, dass das Wasser trotz des Windes nicht verdunstet. »Schaut mal nach China«, sagt er, und ein plötzlicher Windstoß nimmt ihn mit ins Haus.
»Junior?«
Ich brauche ihn, um die Nägel aus der Kiste zu klauben. Seine dünnen Spinnenfinger können das besser als meine. Er ist nicht in seinem Bett, aber sein Bettzeug und Kissen liegen immer noch auf dem Fußboden. Ich hebe sie auf, lege sie auf die Matratze. Der Vorhang vor unserem Fenster flattert. Ich schalte den Ventilator aus.
»Junior.«
Er ist auch nicht im Bad. Wer immer es zuletzt benutzt hat, hat den Toilettensitz hochgeklappt gelassen, wie üblich. Die Tür zu Skeetahs und Randalls Zimmer ist zu; ich höre Skeetah drinnen rumoren. Unten in der Mitte ihrer Tür ist ein Loch, wo Skeetah mal bei einem Wutanfall eine Kerbe ins Holz getreten hat; Daddy ist von hinten auf ihn losgegangen und hat ihn dafür heftig getreten und dann versucht, ihm eine Ohrfeige zu verpassen.
»Is Junior bei dir?«
»Nee.« Die Wände sind so dünn, dass es klingt, als stünde Skeetah neben mir. Es war wegen China, dass Skeet gegen die Tür getreten hat: Als China fett wurde und ihre Brüste offensichtlich anschwollen und Daddy merkte, dass sie tragend war, hat Daddy zu Skeet gesagt, er wolle nicht eine Horde von Hunden auf dem Pit haben. Er war betrunken, als er das sagte, und erhat es nie wieder gesagt, nachdem Skeet, als er ihn ohrfeigen wollte, seinen Arm abgefangen und gesagt hatte:
Schlag mir nicht ins Gesicht
, so als würde er es überall sonst akzeptieren, nur da nicht.
»Junior?«
Er steht neben Daddys Bett, mit dem schmalen kleinen Rücken zu mir, den kahlen Kopf gesenkt. Ein Arm hängt seitlich her unter, und den anderen hält er vor sich, als wäre er beim Eierlaufen und balanciere ein gekochtes Ei auf einem Löffel. Nur dass kein Löffel da ist, sondern bloß sein Zeigefinger, den er still unter Daddys schlafende Nase hält. Er berührt fast Daddys rauen Oberlippenbart, die nackte Hühnerhaut über seinen Lippen. Ich habe Junior noch nie so reglos gesehen.
»Was machst du da?«
Junior zuckt zusammen. Er dreht sich um und versteckt schnell den Finger hinter seinem Rücken. Unter seinen Augen sind blaue Flecken, sodass er wie ein nervöses braunes Männlein aussieht. Ich greife nach seinem Finger, ziehe ihn aus dem Zimmer und schließe die Tür.
»Esch«, flüstert Junior. Er schaut auf den Boden, als könne er durch ihn hindurchsehen, bis nach unten zu seinen Sandmulden unter dem Haus.
»Was sollte das denn?«, frage ich. Ich drücke und spüre nur Haut und Knochen. Sein Finger ist immer noch ausgestreckt. Er stöhnt und will die Hand wegziehen, aber ich halte sie fest.
»Er hat
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