Vor der Flagge des Vaterlands
wiederholte der Kranke.
»10 Millionen Dollar«, antwortete Gaydon.
»10 Millionen!« rief Thomas Roch. »10 Millionen für ei-
nen Fulgurator, der allem, was man bisher in solchen Dingen
geschaffen hat, 10 Millionen Mal überlegen ist? . . . 10 Mil-
lionen für ein Geschoß mit eigener Fortbewegung, das im
Explodieren seine zerstörende Gewalt über Tausende von
Quadratmetern ausbreitet? . . . 10 Millionen, das ist ja allein
der Zünder wert, der die Explosion hervorbringt! . . . Nein,
alle Schätze der Erde würden nicht reichen, das Geheimnis
meiner Maschine zu bezahlen, und ehe ich es für einen sol-
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chen Preis hingebe, beiß’ ich mir lieber die Zunge im Mund
ab! . . . 10 Millionen für etwas, das 1 Milliarde wert ist . . .
1 Milliarde . . . 1 Milliarde!«
Thomas Roch erwies sich dadurch als ein Mensch, dem
alle Begriffe und jedes Maß der Dinge verlorengegangen
waren, wenn man mit ihm verhandeln wollte. Und selbst
wenn ihm Gaydon 10 Milliarden geboten hätte, hätte er in
seinem Wahnsinn doch noch mehr verlangt.
Graf d’Artigas und Kapitän Spade hatten nicht aufge-
hört, ihn vom Beginn dieses Anfalls an zu beobachten – der
Graf immer phlegmatisch, obgleich sich seine Stirn verdüs-
tert hatte, der Kapitän mit Kopfschütteln, wie einer, der sa-
gen zu wollen schien: »Mit diesem Unglücklichen ist ein-
deutig nichts anzufangen!«
Thomas Roch war übrigens schon entwichen, lief quer
durch den Garten und rief noch immer mit von Zorn er-
stickter Stimme:
»Milliarden! . . . Milliarden!«
Da bemerkte Gaydon, zum Direktor gewandt:
»Das hatt’ ich Ihnen vorhergesagt!«
Dann machte er sich an die Verfolgung des Wahnsinni-
gen, holte ihn ein und faßte ihn am Arm, ohne auf besonde-
ren Widerstand zu stoßen, und führte ihn endlich zum Pa-
villon, dessen Tür sofort geschlossen wurde.
Graf d’Artigas blieb mit dem Direktor allein zurück, wäh-
rend der Kapitän den Garten noch einmal an der unteren
Mauer entlang durchstreifte.
»Ich hatte nicht übertrieben, Herr Graf«, begann der Di-
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rektor. »Wir wissen, daß die Krankheit Thomas Rochs jeden
Tag neue Fortschritte macht und meiner Ansicht nach dem
unheilbaren Wahnsinn entgegengeht. Und stellte man ihm
auch alles Geld, das er verlangt, zur Verfügung, es ließe sich
doch nichts aus ihm herausbringen.«
»Das scheint so«, antwortete Graf d’Artigas, »und doch
hat er, wenn seine Geldansprüche auch ins Sinnlose gehen,
nichtsdestoweniger eine Kriegsmaschine erfunden, deren
Zerstörungskraft sozusagen grenzenlos ist.«
»So lautet die Meinung sachverständiger Personen, Herr
Graf; was er aber auch erfunden haben mag, es wird in ei-
nem der Anfälle, die immer heftiger auftreten, mit ihm zu-
grundegehen. Bald wird auch die Triebfeder des Interesses,
das allein in seiner Seele fortgelebt zu haben scheint, erlah-
men . . .«
»Vielleicht bleibt dann noch die Triebfeder des Hasses
übrig!« murmelte Graf d’Artigas, als sich Kapitän Spade an
der Tür des Gartens wieder zu ihnen gesellte.
3. KAPITEL
Eine Doppelentführung
Eine halbe Stunde folgten Graf d’Artigas und Kapitän
Spade dem von 100jährigen Buchen eingefaßten Weg, der
das rechte Ufer der Neuze von der Anstalt Healthful House
trennt. Beide hatten sich vom Direktor verabschiedet, wo-
bei dieser sich für die Ehre des ihm zuteil gewordenen Be-
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suchs, jene sich für den wohlwollenden Empfang bedank-
ten. 100 Dollar, die Graf d’Artigas für das Personal des
Hauses zurückließ, zeugten für seine noble Freigebigkeit.
Das war – wer hätte daran zweifeln können? – ein Fremder
von hochvornehmem Rang, wenn man die Vornehmheit an
der Freigebigkeit messen kann.
Nachdem sie durch das Gittertor, das Healthful House
auf dem Hügelabhang abschließt, herausgetreten waren, gin-
gen Graf d’Artigas und Kapitän Spade an der Umfassungs-
mauer entlang, deren Höhe jedes Übersteigen ausschloß.
Der erstere war nachdenklich, und der letztere wartete wie
gewöhnlich darauf, daß jener das Wort an ihn richtete.
Graf d’Artigas entschloß sich dazu erst in dem Augen-
blick, wo er, auf dem Weg stehenbleibend, mit dem Blick die
Mauer messen konnte, hinter der sich der Pavillon Nr. 17
erhob.
»Du hast Zeit gefunden«, fragte er dann, »dich über die
ganze Örtlichkeit genau zu informieren?«
»Ganz genau, Herr Graf«, antwortete Kapitän Spade, der
den Titel, den er dem Fremden gab,
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