Vor der Flagge des Vaterlands
herabsinkt.
Das merkwürdig aufgetürmte Eiland bildet ziemlich ge-
nau die Form einer umgekehrten Tasse, aus deren Boden
rauchiger Dampf emporwirbelt. Sein Gipfel – also der Bo-
den der Tasse, wenn man so sagen will – erhebt sich etwa
100 Meter über die Meeresoberfläche, und seine Seiten zei-
gen gleichmäßig steile Abhänge, die ebenso kahl erschei-
nen wie die Felsmassen am Fuß, gegen die eine donnernde
Brandung anläuft.
Eine besondere Eigentümlichkeit macht dieses Eiland
aber den von Westen kommenden Seefahrern um so leich-
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ter erkennbar, nämlich eine durchbrochene Felsmasse. Der
natürliche Bogen scheint den Henkel jener Tasse zu bilden
und läßt die Wogen wirbelnd hindurchströmen und die
Strahlen der Sonne hindurchscheinen, wenn ihre Scheibe
sich am östlichen Horizont erhebt. Unter solchen Umstän-
den gesehen, rechtfertigt das Eiland den ihm beigelegten
Namen Back-Cup vollständig.
Nun, dieses Eiland kenne ich . . . erkenne ich wieder! Es
liegt noch vor dem Archipel der Bermudas. Es ist die ›Um-
gekehrte Tasse‹, die ich vor einigen Jahren zu besuchen Ge-
legenheit hatte . . . Nein, ich täusche mich nicht! . . . Damals
hat mein Fuß jene Kalkfelsen betreten, und ich habe das
Stückchen Land von der Ostseite her umwandert. Ja . . . ja . . .
das ist Back-Cup.
Bei geringerer Selbstbeherrschung hätte ich wohl einen
Ruf der Überraschung und . . . der Befriedigung ausgesto-
ßen, über den sich Graf d’Artigas mit vollem Recht beun-
ruhigt hätte.
Ich will hier kurz die Umstände schildern, unter denen
ich zur Zeit meines Verweilens auf den Bermudas das Ei-
land Back-Cup näher kennenlernte.
Dieser etwa 1.000 Kilometer von North Carolina gele-
gene Archipel besteht aus 200 Inseln und Eilanden. In sei-
ner Mitte kreuzen sich der 64. Längengrad westlich von
Greenwich und der 32. Grad nördlicher Breite. Seit dem
Schiffbruch des Engländers Somers, der 1609 hier stran-
dete, gehören die Bermudas zum Vereinigten Königreich,
dessen Kolonialbevölkerung infolgedessen allmählich bis
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auf 10.000 Seelen angewachsen ist. Um ihrer Bodenerzeug-
nisse an Baumwolle, Kaffee, Indigo, Arrow-root und der-
gleichen willen hat England diese Gruppe nicht in Besitz
genommen, man könnte sagen, »gekapert«. Sie bot aber, we-
gen ihrer den Vereinigten Staaten von Nordamerika nahen
Lage eine sehr willkommene Marinestation. Die Besitzer-
greifung vollzog sich ohne Einspruch fremder Mächte, und
die Bermudas werden noch heutzutage von einem briti-
schen Gouverneur mit Hilfe eines Ratskollegiums und ei-
ner Generalversammlung verwaltet.
Die Hauptinseln des Archipels führen den Namen Saint
David, Somerset, Hamilton und Saint George. Die letztere
besitzt einen Freihafen, und die gleichnamige Stadt ist auch
die Hauptstadt der Gruppe.
Die größte dieser Inseln erreicht nicht über 25 Kilometer
Länge bei 4 Kilometern Breite. Wenn man noch die mittle-
ren abzieht, bleibt nur ein Haufen von Eilanden und Riffen
übrig, die über ein Gebiet von 50 Quadratkilometern zer-
streut liegen.
Wenn das Klima der Bermudas auch mild und heilsam
ist, werden die Inseln doch von den heftigen Winterstür-
men des Atlantischen Ozeans heimgesucht, und meist ist es
recht schwierig, hier zu landen.
Was dem Archipel gänzlich fehlt, sind Flüsse und Bäche.
Da hier aber sehr oft Regen fällt, hat man jedem Wasser-
mangel dadurch abgeholfen, daß man die Niederschläge für
die Bedürfnisse der Bewohner und für die Landwirtschaft
auffängt. Das hat die Anlage gewaltiger Zisternen nötig ge-
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macht, die die Platzregen mit unerschöpflicher Freigebig-
keit anfüllen. Diese Werke verdienen gerechte Bewunde-
rung und machen dem menschlichen Geist alle Ehre.
Gerade die Anlage dieser Zisternen und die Begierde,
die schönen Arbeiten zu sehen, hatte damals meine Reise
hierher veranlaßt.
Ich erhielt von der Gesellschaft in New Jersey, bei der ich
als Ingenieur tätig war, für einige Wochen Urlaub, reiste ab
und schiffte mich in New York nach den Bermudas ein.
Während ich mich dann auf der Insel Hamilton aufhielt,
wo ich in dem großen Hafenort Southampton wohnte, trat
ein Naturereignis ein, das auf jeden Fall die Geologen inte-
ressieren mußte.
Eines Tages sah man nämlich eine ganze Flottille von Fi-
scherbooten, mit Männern, Frauen und Kindern besetzt,
einlaufen, die in Southampton Harbour Zuflucht suchten.
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