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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ingenieur Serkö selbst, der einige Schritte
    zurückgeworfen wurde, kam nicht ohne tüchtige Schram-
    men davon.
    Mit dem Sprengstoff, der alles bisher Erfundene an Wir-
    kung weit übertrifft, wird in folgender Weise verfahren:
    Zuerst wird ein 5 Zentimeter tiefes Loch von 10 Milli-
    meter Durchmesser schräg ins Gestein hineingetrieben.
    Mit einigen Gramm des Sprengstoffs geladen, ist sogar ein
    Verschluß der Öffnung überflüssig.
    Nun wird Thomas Roch aktiv. In der Hand hält er ein
    kleines Glasgefäß mit einer bläulichen, ölartigen Flüssig-
    keit, die bei der Berührung mit der Luft sehr schnell Ge-
    rinnsel bildet. Er spritzt einen Tropfen durch die Mündung
    des Lochs und zieht sich ohne besondere Eile zurück. Es
    bedarf nämlich einer gewissen Zeit – etwa 35 Sekunden –
    bis eine ausreichende Mischung beider Bestandteile erfolgt
    ist. Dann aber ist die Explosionskraft so groß, daß man sie
    unbegrenzt nennen kann, auf jeden Fall übertrifft sie die
    der Hunderte jetzt bekannter Sprengmittel um das Tausend-
    fache.
    Hieraus leuchtet es ein, daß der Durchbruch der dicken
    Höhlenwand in 8 Tagen bequem fertig sein wird.
    19. September. – Seit einiger Zeit beobachte ich, daß die
    Erscheinung der Flut und Ebbe, die sich durch den untersee-

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    ischen Tunnel deutlich bemerkbar macht, binnen 24 Stun-
    den zweimal einander entgegengesetzte Strömungen her-
    vorbringt. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß ein auf die
    Lagune geworfener, schwimmender Gegenstand bei Ebbe-
    strom mit hinausgeführt werden muß, wenn die Tunnel-
    mündung in ihrem oberen Teil wasserfrei wird.
    Die Öffnung müßte doch beim größten Tiefstand der
    Ebbe zur Zeit der Äquinoktien sichtbar werden. Davon
    werd’ ich mich ja überzeugen können, da jetzt gerade diese
    Zeit ist. Übermorgen haben wir den 21. September, und
    heute konnt’ ich bei Niedrigwasser das oberste Bogenstück
    der Öffnung schon sehen.
    Ist mir’s auch unmöglich, diesen Tunnel selbst zu passie-
    ren, so müßte doch eine zur Zeit der eintretenden Ebbe in
    die Lagune geworfene Flasche hindurchgelangen können.
    Und warum sollt’ es nicht der Zufall – freilich ein ganz au-
    ßerordentlicher Zufall – fügen, daß diese Flasche von einem
    in der Nähe von Back-Cup segelnden Schiff aufgefischt
    würde? Könnte die Strömung sie nicht auch irgendwo ans
    Ufer der Bermudas treiben? Und wenn diese Flasche eine
    Mitteilung enthielte . . .
    Solche Gedanken wirbeln mir durch den Kopf. Doch,
    dagegen tauchen auch manche Einwände auf, unter ande-
    ren der, daß eine Flasche beim Passieren des Tunnels zer-
    brechen oder draußen an den Klippen noch zerschellen
    könnte, ehe sie offenes Wasser erreichte . . . Sicher, doch
    wenn ich sie durch ein Fäßchen ersetzte, durch eine kleine
    Tonne, wie die, die man zum Tragen der Netzleinen ver-
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    wendet, die würde nicht wie die zerbrechliche Flasche der
    Gefahr der Zertrümmerung ausgesetzt sein und auf jeden
    Fall bis ins offene Meer treiben.
    20. September. – Heute abend bin ich unbemerkt in eines
    der Magazine geschlichen, worin die verschiedensten, aus
    Raubzügen stammenden Gegenstände gelagert sind, und
    ich fand dort auch ein Tönnchen, das sich für meine Zwe-
    cke vorzüglich eignet.
    Nachdem ich es unter der Kleidung sorgsam versteckt
    hatte, gehe ich nach Bee-Hive zurück und trete in meine
    Zelle ein. Ohne eine Minute zu verlieren, mach’ ich mich
    ans Werk.
    Papier, Tinte und Feder fehlen mir nicht, denn bereits
    seit 3 Monaten hab’ ich die hier wiedergegebenen Aufzeich-
    nungen machen können. So werf’ ich auf ein Blatt Papier
    folgende Zeilen:
    »Seit dem 19. Juni sind infolge einer Doppelentführung,
    die am 15. desselben Monats stattfand, Thomas Roch und
    sein Pfleger Gaydon, oder vielmehr der französische Inge-
    nieur Simon Hart, die beide den Pavillon Nr. 17 in Healthful
    House bei New Berne (North Carolina, USA) bewohnten,
    an Bord der Graf d’Artigas gehörenden Goélette ›Ebba‹ ge-
    schleppt worden. Augenblicklich sind beide in einer Höhle
    eingeschlossen, die genanntem Graf d’Artigas als Schlupf-
    winkel dient. Der wahre Name dieses Pseudografen ist aber
    Ker Karraje; er ist der freche Seeräuber, der einst den west-
    pazifischen Ozean brandschatzte, und zu ihm gehört noch
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    eine Bande von etwa 100 der schlimmsten Verbrecher. Hat
    Ker Karraje erst den Fulgurator Roch mit seiner sozusagen
    unbegrenzten Zerstörungsgewalt in

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