Vor der Flagge des Vaterlands
verbergen. Wenn ich doch bei Ta-
gesanbruch mit draußen wäre! . . . Und warum sollte mir das
jetzt nicht gelingen, wo Ker Karraje, Ingenieur Serkö, Kapi-
tän Spade und deren Spießgesellen sicherlich ihren Posten
draußen schon wieder eingenommen haben?
Im Augenblick ist das Uferland der Lagune gänzlich ver-
lassen, der Eingang zum Durchbruch aber von dem Ma-
laien des Grafen d’Artigas bewacht. Ich trete dennoch hi-
naus und wende mich, ohne vorher gefaßten Plan, Thomas
Rochs Labor zu. Meine Gedanken beschäftigen sich einzig
und allein mit meinem Landsmann. Ich glaube bestimmt,
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daß er von der Anwesenheit der Kriegsschiffe nichts weiß.
Ingenieur Serkö wird jedenfalls erst im letzten Augenblick
an ihn mit dem Angebot herantreten, jetzt das Werk seiner
Rache zu vollbringen.
Dabei fällt mir plötzlich ein, daß ich ja selbst Thomas
Roch klarmachen könnte, welche Verantwortung er auf sich
laden würde, wenn ich ihn in letzter Stunde darüber auf-
klärte, welche Art Leute es sind, die für ihre verbrecheri-
schen Zwecke seine Hilfe in Anspruch nehmen . . .
Ja . . . den Versuch will ich wenigstens machen. Oh könnte
ich doch in seiner gegen die menschliche Ungerechtigkeit
empörten Seele eine patriotische Saite wieder zum Ertönen
bringen!
Thomas Roch befindet sich in seinem Labor. Er muß
wohl allein sein, denn nie ist jemand dort zugelassen wor-
den, wenn er sich mit den Bestandteilen des Zünders be-
schäftigte.
Ich wende mich also dieser Seite zu, und nah am Ufer
der Lagune vorübergehend, überzeuge ich mich, daß der
Tug am kleinen Hafendamm verankert liegt.
Hier angelangt, erscheint es mir ratsam, zwischen die
ersten Pfeilerreihen zu schlüpfen, um zum Labor von der
Seite her zu kommen, was mir erlauben wird, zu sehen, ob
sich bei Thomas Roch noch irgend jemand befindet.
Während ich unter den dunklen Gewölben weiter-
schreite, wird ein heller Schein sichtbar, der zum anderen
Ufer der Lagune hinüber strahlt. Dieses Licht entströmt ei-
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ner Lampe im Labor und sendet seine Strahlen durch ein
schmales Fenster der Vorderseite.
Außer dieser Stelle liegt das südliche Uferland im Dun-
keln, während an der gegenüberliegenden Seite Bee-Hive
bis zur nördlichen Höhlenwand erleuchtet ist. In der Öff-
nung der Decke über der dunklen Lagune blinken einige
Sterne. Der Himmel ist klar, der Sturm hat sich gelegt und
keine Luftwirbel dringen mehr ins Innere von Back-Cup
ein.Am Labor angelangt, schleiche ich an der Wand lang,
richte mich dann vorsichtig bis zum Fenster empor und
sehe Thomas Roch dahinter.
Er ist allein. Sein hell beleuchtetes Gesicht ist mir zu drei
Vierteln zugewendet. Wenn seine Züge auch schlaff erschei-
nen und seine Stirnfalten schärfer ausgeprägt sind, so verrät
sein Ausdruck doch eine vollkommene innere Ruhe, eine
gänzliche Herrschaft über sich selbst. Nein, das ist nicht
mehr der Bewohner des Pavillons Nr. 17, der Geisteskranke
aus Healthful House, und ich frage mich nur, ob er wohl
völlig geheilt, ob nicht zu befürchten ist, daß sein Verstand
in einer letzten Krisis doch noch verlorengeht.
Thomas Roch hat eben zwei Glasgefäße auf ein Wand-
brett gestellt und hält ein drittes Fläschchen in der Hand.
Er bringt es in den Lichtschein der Hängelampe und sieht
nach, ob die Flüssigkeit darin ganz klar ist.
Einen Augenblick packt mich das Verlangen, in das La-
bor zu stürzen, die Gläser zu ergreifen, sie zu zertrüm-
mern . . . Thomas Roch würde dafür aber doch neue Men-
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gen seiner Zündflüssigkeit herstellen können . . . Nein, es ist
besser, ich bleibe bei meinem ersten Vorhaben.
So stoß’ ich die Tür auf, trete ein und sage:
»Thomas Roch!«
Er hat mich weder gesehen noch gehört.
»Thomas Roch!« wiederhole ich.
Da erhebt er den Kopf, dreht sich um und starrt mich
an.»Ah, Sie sind’s, Simon Hart!« antwortet er in ruhigem,
fast gleichgültigem Ton.
Er kennt meinen Namen. Ingenieur Serkö hat ihn dar-
über aufgeklärt, daß es nicht der Pfleger Gaydon, sondern
Simon Hart war, der ihn früher in Healthful House über-
wachte.
»Sie wissen es also?« erwidere ich.
»Ebenso wie ich weiß, in welcher Absicht Sie einst den
Pflegedienst bei mir übernommen haben . . . Ja, Sie hofften
ein Geheimnis zu durchschauen, für das mir niemand den
gebührenden Preis zahlen wollte!«
Thomas Roch ist über alles informiert, und vielleicht
ist das auch besser
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