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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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einem Mord zurückschrecken, der endlich die Be-
    strafung für so viele Verbrechen ermöglicht?
    Ich nähere mich dem Regal . . . Da liegt der stählerne
    Meißel . . . schon will ich ihn ergreifen.
    Da wendet Thomas Roch sich um.
    Es ist zu spät, ihn niederzuschlagen . . . ohne Kampf
    ginge das nicht . . . ein Kampf aber bedeutet Geräusch . . .
    Seine Rufe würden gehört werden . . . In der Nähe sind noch
    einige Piraten . . . Ich höre sogar Schritte, die im Sand knir-
    — 293 —
    schen . . . Jetzt gilt es zu fliehen, um mich hier nicht überra-
    schen zu lassen . . .
    Ein letztes Mal will ich nur versuchen, in dem Erfinder
    die Gefühle der Vaterlandsliebe zu wecken.
    »Thomas Roch«, sag’ ich zu ihm, »es sind Kriegsschiffe
    in Sicht . . . sie kommen, um diesen Schlupfwinkel zu zer-
    stören . . . vielleicht führt eins von ihnen die Flagge Frank-
    reichs . . .«
    Thomas Roch sieht mich an. Er wußte noch nicht, daß
    Back-Cup angegriffen werden sollte, und ich hab’ es ihm
    mitgeteilt . . . Die Falten seiner Stirn vertiefen sich . . . in sei-
    nen Augen flammt es auf . . .
    »Thomas Roch, würden Sie es fertigbringen, auf die
    Flagge Ihres Vaterlands, auf die Trikolore zu feuern?«
    Der Halbirre erhebt den Kopf, schüttelt ihn nervös und
    macht dann eine wegwerfende Bewegung.
    »Wie? . . . Ihr Vaterland . . .«
    »Ich habe kein Vaterland mehr, Simon Hart!« ruft er laut.
    »Der abgewiesene Erfinder kennt kein Vaterland mehr! . . .
    Da, wo er Zuflucht findet, da ist sein Vaterland! . . . Man will
    sich meines Eigentums bemächtigen . . . ich werde es vertei-
    digen . . . und wehe denen, die die Hand danach erheben!«
    Damit eilt er zur Tür des Labors und stößt sie heftig auf:
    »Hinaus! Hinaus mit Ihnen!« ruft er mir so laut zu, daß
    man ihn am Ufer vor Bee-Hive hören muß.
    Ich habe keine Sekunde zu verlieren und fliehe aus dem
    Bannkreis des erzürnten Erfinders.
    — 294 —
    17. KAPITEL
    Einer gegen Fünf
    1 Stunde lang bin ich unter der dunklen Wölbung von Back-
    Cup umhergeirrt, zwischen den steinernen Pfeilern und bis
    zum äußersten Ende der Höhle. Hier hab’ ich so viele Male
    nach einem Ausgang gesucht, nach einer Spalte, einem Riß
    in der Wand, wohindurch ich hätte schlüpfen und an das
    Ufer des Eilands gelangen können.
    Meine Bemühungen sind vergebens gewesen. Bei dem
    Zustand, in dem ich mich jetzt befinde, wo ich eine Beute
    unerklärlicher Sinnestäuschungen bin, scheint es mir, als
    ob diese Wände sich noch verdickten . . . als ob die Mauern
    meines Kerkers näher aneinanderrückten und mich zer-
    malmen müßten . . .
    Wie lange diese Störung meiner Geistestätigkeit gedau-
    ert hat, weiß ich nicht zu sagen.
    Ich komme an der Seite von Bee-Hive, vor der Zelle, wo-
    rin ich weder Ruhe noch Schlaf erhoffen darf, endlich wie-
    der zur klaren Besinnung. Doch schlafen, wenn man geistig
    so überreizt ist . . . schlafen, wo ich kurz vor dem Ende einer
    Lage stehe, die sich lange Jahre hinzuschleppen drohte! . . .
    Was wird die Lösung des Knotens aber für mich zu be-
    deuten haben? Was hab’ ich zu erwarten von dem auf Back-
    Cup vorbereiteten Angriff, dessen Erfolg ich nicht dadurch
    zu sichern vermochte, daß ich Thomas Roch außerstand
    setzte, Unheil zu verbreiten? . . . Seine Kriegsmaschinen
    sind fertig zum Hinausschleudern, sobald die Schiffe in die
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    gefährdete Zone eingetreten sind, und selbst ohne unmit-
    telbar getroffen zu sein, werden sie zugrundegerichtet wer-
    den.Doch was auch komme, ich bin verurteilt, die letzten
    Stunden dieser Nacht in meiner Zelle zuzubringen. Jetzt
    muß ich wohl oder übel hineintreten. Am Ende des Tages
    werd’ ich ja sehen, was sich tun läßt. Und ich weiß ja nicht
    einmal, ob nicht diese Nacht noch Donnerkrachen die Fel-
    sen von Back-Cup erschüttern wird . . . das Krachen des Ful-
    gurator Roch, der die Kriegsschiffe zerschmettert, ehe sie
    vor dem Eiland Aufstellung nehmen können!
    In diesem Augenblick werf’ ich einen letzten Blick auf
    die Umgebung von Bee-Hive. Mir gegenüber strahlt noch
    ein Licht . . . ein einziges . . . das im Labor, dessen Wider-
    schein auf dem Wasser der Lagune zittert.
    Die Ufer sind öde, niemand befindet sich auf dem Ha-
    fendamm. Da kommt mir der Gedanke, daß Bee-Hive zur
    Stunde verlassen sein möge, daß seine Bewohner schon
    nach dem Kampfplatz geeilt wären.
    Von unwiderstehlichem Verlangen getrieben, gleite ich
    an der Wand lang, statt in meine Zelle zurückzukehren,

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