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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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auch seine Bemerkung zu ignorieren und sich stur an ihre Argumente zu klammern. »Du hast den Mord an Dad untersucht. Natürlich würden sie dich beobachten.«
    »Ich wäre froh, wenn sie kämen«, sagte er täuschend sanft. »Ich hab ’ne Waffe, und nicht nur die ist geladen. Ich weiß Gott auch.«
    Ja, das war er - total geladen. Schon wieder. Oder viel-leicht immer noch. Sie starrte wie blind aus dem Wagenfenster.
    Er verließ die Interstate 10 und fuhr in Richtung Canal Street, dann die Chartres hinunter, dann nach links auf die St. Louis. Er drückte auf den Garagenöffner, und Karen schaffte es sogar, sich nicht zu ducken, als er haarscharf unter dem sich langsam hochklappenden Tor hindurchschoß.
    »Wie lange willst du noch so tun, als wär’s nicht passiert?« fragte er, stieg aus, ging um den Wagen herum, öffnete ihre Tür und holte dann ihren Koffer aus dem Kofferraum.
    Sie biß sich auf die Lippe, während sie ihm voran die Treppe hinaufging. Sie kam sich vor, als würde er sie richtig vor sich hertreiben, als bliebe ihr keine Wahl, als in die Richtung zu gehen, in die er wollte. »Das tue ich nicht. Ich weiß sehr wohl, was ich getan hab. Du hast ein Recht, wütend zu sein, und ich möchte mich entschuldigen. Es war idiotisch, einfach so davonzulaufen. Ich bin’s nicht gewöhnt - ach, ist ja egal. Es tut mir leid.«
    »Du bist’s nicht gewöhnt, mit einem Mann zu schlafen«, beendete er ihren Satz, schloß die Tür auf und trat beiseite, um sie einzulassen. Er folgte ihr und sperrte die Tür wieder hinter sich zu. Dann stellte er ihren Koffer mit einem lauten Plumps auf den Boden. »Und jetzt sag mir, warum du davongelaufen bist?«
    Sie wich unbehaglich ein paar Schritte vor ihm zurück. Auf einmal war ihr wieder alles so schrecklich peinlich. »Der Hauptgrund war, daß ich einfach den Kopf verloren hab. Ich wußte nicht - ich konnte mir einfach nicht vorstellen, warum du’s gemacht hast.«
    Diesmal hatte sie ihn wirklich verblüfft. »Was?«
    Um ihren nervösen Fingern etwas zu tun zu geben, be-gann sie den dicken Verband um ihre Hände abzuwickeln und ihn dabei gleich hübsch ordentlich aufzurollen. »Der harmloseste Grund, der mir einfiel, war, daß du einfach geil warst, und ich war eben verfügbar.«
    »Mit dem Geilsein hast du recht.« Er langte nach ihren Händen und übernahm das Auswickeln. »Aber ich hab dich nicht als Wichsersatz benutzt. Ich wollte dich. Also, wenn das der harmloseste Grund war, dann schaudert mir, nach dem anderen zu fragen.«
    »Den anderen beiden.«
    »Lieber Gott. Also gut, was war der nächste?«
    »Daß ich dir leid tat.«
    Er unterbrach seine Arbeit und hielt still. Langsam hob er den Kopf. Er sah aus, als könnte er nicht glauben, was sie da gerade gesagt hatte. »Du glaubst, ich hatte die ganze Nacht ’nen Ständer, weil du mir leid getan hast?«
    »Du warst so nett zu mir«, versuchte sie zu erklären. Sie kam sich hoffnungslos überfordert vor, ihm ihre Gefühle klarzumachen. »Ohne deine Hilfe hätte ich’s nie geschafft. Aber dann bei der Beerdigung bin ich einfach zusammengebrochen, und ich dachte, du hast dich vielleicht verpflichtet gefühlt, mich nicht im Hotelzimmer allein zu lassen -«
    »Karen.« Er schüttelte den Kopf, als wolle er seine Gedanken erklären. »Das hieße doch, das Mitleid ein bißchen arg weit zu treiben, findest du nicht? Mein Bett ist kein Waisenhaus.«
    Sie biß sich auf die Lippe und schwieg. Er wickelte eine Hand aus und drehte sie um, so daß er ihre Handfläche begutachten konnte. Wieder stieg dieser grimmige Ausdruck in sein Gesicht, doch er sagte nichts, sondern griff einfach nach ihrer anderen Hand, um auch diese auszuwickeln. »Okay, was war der dritte Grund?«
    Das war der heikelste, aber sie glaubte, ihm eine vollständige Erklärung schuldig zu sein. Doch es war nicht leicht, darüber zu reden. »Am ersten Tag wußte ich, daß du mich nicht mochtest. Das hab ich mir doch nicht eingebildet, oder?« Sosehr sie sich auch mühte, es gelang ihr nicht zu verbergen, wie sehr sie das getroffen hatte.
    Sein schwarzer Haarschopf blieb über ihre Hände gebeugt. »Nein«, sagte er schließlich. »Das hast du dir nicht eingebildet.«
    Karen schluckte und merkte, wie etwas in ihr zerbrach. »Das hab ich auch nicht gedacht«, flüsterte sie. Dann sagte sie mit etwas kräftigerer Stimme: »Jedenfalls, das Wahrscheinlichste, was mir dazu einfiel, war, daß du’s - nun, nicht aus Rache, aber um mich herabzusetzen gemacht

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