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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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die Rippen taten ihr weh, das Knie und die Hände. Eigentlich tat ihr alles weh. Heute früh hatten sie und Piper einander feierlich verbunden und sich dann lachend und weinend zum Abschied umarmt. Piper hatte zuerst den Gedanken, daß jemand versuchte, sie umzubringen, als hirnrissig von sich gewiesen, doch je mehr sie darüber nachdachte, desto besorgter war sie geworden und hatte schließlich auch gedacht, daß es das beste war, wenn Karen Dogde City so schnell wie möglich hinter sich ließ.
    Und mit noch etwas hatte Piper recht. Die Leute überschlugen sich förmlich, ihr mit den Koffern zu helfen, sobald sie ihre eingebundenen Hände sahen.
    Obwohl ihre Garderobe sich auf das beschränkte, was die Polizistin für sie eingepackt hatte, merkte Karen, als sie schließlich aus dem Flugzeug in die heiße Schwüle des Jetways trat, daß sie, was ihre Kleidung betraf, dem Klima diesmal weit besser angepaßt war. Neben ein paar Schwe-sternuniformen bestand der Inhalt ihres Koffers aus zwei Paar Jeans, einem leichten geblümten Sommerrock, der ihr bis zur Mitte der Waden reichte, drei T-Shirts, ein paar Söckchen und etwas Unterwäsche, Pumps und ein Paar Sandalen. Den Rock und die Sandalen hatte sie an, und es fühlte sich viel kühler an als das, was sie beim ersten Mal angehabt hatte.
    Marc packte sie, sobald sie den Fuß in den Terminal setzte. Anders konnte man es nicht bezeichnen. Eine harte Hand umschloß ihren Nacken, dann sagte er mit unterdrückter Wut in der Stimme: »Was zum Teufel geht hier vor?«

16
    Er ist immer noch ärgerlich, dachte Karen. Nein, ärgerlich war nicht der richtige Ausdruck: Er war fuchsteufelswild, seine Augen blitzten, seine Lippen waren zu einem grimmigen Strich zusammengekniffen, und er war blaß um Augen und Nase. Sie war so froh, ihn zu sehen, daß sie die Augen zumachte und einen abgrundtiefen Seufzer der Erleichterung ausstieß. »Hi«, sagte sie, weil ihr nichts Besseres einfiel.
    Dann war sie auf einmal in seinen Armen. Ganz vorsichtig zog er sie an seine Brust, als ob er fürchtete, ihr weh zu tun. Sie fühlte sein Herz an ihrer Wange hämmern, seinen Atem weich auf ihrem Haar, die harte Wölbung seines Pistolenhalfters an seiner Hüfte, und es war so herrlich, wieder bei ihm zu sein, nicht mehr allein zu sein, daß es beinahe weh tat. Eine derartige Verbundenheit mit einem Menschen hatte sie noch nie verspürt, dieses Gefühl, genau
    hierher zu gehören und nirgendwohin sonst, das Gefühl, endlich zu Hause zu sein.
    »Du siehst schrecklich aus«, sagte er grob. Diese Äußerung unterschied sich so sehr von seiner üblichen Zuvorkommenheit, daß sie dachte, es mußte ihn ganz schön umgeworfen haben. Sie sah ja auch reichlich angeschlagen aus: Sie humpelte, beide Hände waren bandagiert, eine bunte Schwellung auf der Wange, das Gesicht kreidebleich und angespannt, wie es bei Leuten ist, die zu wenig Schlaf und zu viel Druck bekommen haben.
    »Ich hatte gestern auch einen ziemlich ereignisreichen Tag.«
    »Hast du sonst noch irgendwelche Verletzungen, die ich nicht sehen kann?« Seine Worte klangen gepreßt.
    »Die Rippen. Sie tun weh, sind aber nicht angeknackst.«
    Er brummelte einen unterdrückten Fluch. »Los, laß uns gehen. Irgendwelches Gepäck?«
    »Einen Koffer.«
    »Brauchst du einen Rollstuhl?«
    Sie neigte den Kopf zurück und warf ihm einen entsetzten Blick zu. »Nein! Damit würde ich bloß noch mehr auffallen. Mein Knie ist ein wenig steif, aber ich kann sehr gut laufen. Laß uns den Koffer holen, und dann raus hier.«
    Sein Mund blieb zusammengepreßt, und auch das zornige Funkeln in seinen Augen ließ nicht nach, doch er paßte seine langen Schritte ihrem weit mühsameren Gang an, den Arm um ihre Taille gelegt, als bräuchte sie beim Gehen seine Stütze. Je länger sie jedoch ging, desto mehr löste sich die Steifheit in ihrem Knie, so daß sie bald überhaupt nicht mehr humpelte, wenn sie langsam ging.
    Sie sagte: »Jemand, der sich auskennt, wie lange würde der brauchen, um rauszukriegen, daß ich einen Flug hierher genommen habe?«
    »Jemand, der sich auskennt, würde schon hier auf dich warten oder jemand anderen geschickt haben.« Er sah aus, als wollte er etwas zertrümmern.
    Sie blieb abrupt stehen, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Dann geh weg«, entgegnete sie heftig. »Solange du mit mir zusammen bist, bist du auch in Gefahr.«
    Er sah ihr direkt in die Augen. »Du kommst gefälligst mit mir«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor,

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