Vor Vampiren wird gewarnt
rasch. Es wurde immer dunkler, und ich konnte sehen, wie manche Werwölfe sich bereits in den Schutz der Bäume zurückzogen. Eine der Frauen warf ihren Kopf zurück und heulte auf. Und auch Basims Augen wurden schon runder und goldener.
»Eine schöne Nacht«, sagte ich, trat einen Schritt zurück und klinkte die Fliegengittertür wieder ein. Die drei Werwölfe stiegen die Verandastufen hinab. Alcides Stimme wehte noch zu mir herüber. »Ich habe dir doch gesagt, dass sie Gedanken lesen kann«, belehrte er Annabelle, als sie quer über meine Auffahrt auf den Wald zuliefen, Ham im Schlepptau. Jannalynn begann plötzlich, auf die Baumreihen zuzurennen, so begierig war sie darauf, sich zu verwandeln. Es war Basim, der sich umdrehte und mir noch einen letzten Blick zuwarf, als ich die Haustür schloss. Es war die Art Blick, die einem Tiere im Zoo zuwerfen.
Und dann war es vollkommen dunkel.
Die Werwölfe enttäuschten mich allerdings ein bisschen. Sie machten längst nicht so viel Lärm, wie ich erwartet hatte. Ich blieb natürlich im Haus, verriegelte alle Türen und zog meine Vorhänge zu, was ich normalerweise nicht tat. Schließlich wohnte ich mitten im Wald. Ich sah etwas fern, und ich las ein wenig. Etwas später, beim Zähneputzen, hörte ich darin Wolfsgeheul. Es schien mir von weit her zu kommen, aus dem Osten vielleicht, vom Rand meines Landes.
Früh am nächsten Morgen, die Sonne ging gerade erst auf, wachte ich von Motorenlärm auf. Die Werwölfe fuhren wieder ab. Ich hatte mich schon fast umgedreht, um weiterzuschlafen, als ich bemerkte, dass ich auf die Toilette musste. Als das erledigt war, fühlte ich mich etwas wacher. Ich trottete die Diele entlang zum Wohnzimmer und spähte durch einen Spalt in den Vorhängen. Ham Bond kam gerade aus dem Wald; er sah ein wenig mitgenommen aus und unterhielt sich mit Alcide. Ihre Pickups waren die letzten Autos, die noch dastanden. Einen Augenblick später tauchte auch Annabelle auf.
Das frühe Morgenlicht fiel schräg auf das taufeuchte Gras, als die drei Werwölfe langsam über die Wiese gingen, angezogen wie am Abend zuvor, nur die Schuhe in den Händen. Sie wirkten erschöpft, aber glücklich. Ihre Kleider waren nicht blutbefleckt, nur ihre Gesichter und Arme. Sie hatten offenbar eine erfolgreiche Jagd hinter sich. Die armen Bambis, fuhr es mir durch den Kopf, doch ich unterdrückte den Gedanken gleich wieder. Das hier war auch nicht viel anders, als aus dem Hinterhalt mit einem Gewehr auf Tiere zu schießen.
Einen Augenblick später trat Basim aus dem Wald. In dem schräg herabfallenden Sonnenlicht sah er aus wie eine Gestalt des Waldes, sein Haar steckte voller Laub und kleiner Zweige. Basim al Saud hatte etwas Altertümliches an sich. Wie er im wolflosen Arabien wohl zum Werwolf geworden war, fragte ich mich, und während ich noch hinaussah, entfernte Basim sich von den anderen drei und kam auf meine vordere Veranda. Er klopfte, leise, aber bestimmt.
Ich zählte bis zehn, dann öffnete ich die Tür. All das Blut, herrje. Ich versuchte nicht hinzusehen. Offensichtlich hatte er sich das Gesicht im Fluss gewaschen und dabei den Hals vergessen.
»Miss Stackhouse, guten Morgen«, begann Basim höflich. »Alcide sagt, ich soll Ihnen mitteilen, dass noch andere Geschöpfe Ihr Land durchquert haben.«
Ich konnte spüren, wie sich zwischen meinen Augenbrauen eine Falte bildete, als ich die Stirn runzelte. »Was für Geschöpfe, Basim?«
»Mindestens einer war ein Elf«, erwiderte er. »Vielleicht auch mehr als ein Elf, aber einer auf jeden Fall.«
Das war aus ungefähr sechs verschiedenen Gründen höchst unwahrscheinlich. »Sind die Fährten... oder Spuren ... frisch? Oder schon ein paar Wochen alt?«
»Sehr frisch«, sagte er. »Außerdem riecht es stark nach Vampir. Eine üble Mischung.«
»Das ist eine unerfreuliche Neuigkeit, aber etwas, das ich wissen muss. Vielen Dank, dass Sie mir Bescheid gesagt haben.«
»Und da draußen liegt eine Leiche.«
Ich starrte ihn an und zwang mich zu einer ausdruckslosen Miene. Ich habe jede Menge Übung darin, nicht zu zeigen, was ich denke; das muss jeder Telepath bestens beherrschen. »Wie alt ist die Leiche?«, fragte ich, als ich mir wieder sicher war, dass ich meine Stimme unter Kontrolle hatte.
»Ungefähr anderthalb Jahre, vielleicht nicht ganz so alt.« Basim machte kein großes Aufhebens davon, dass sie eine Leiche gefunden hatten. Er ließ mich einfach nur wissen, dass sie eben da war. »Sie liegt ziemlich
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