Vor Vampiren wird gewarnt
hatte ich extra gekauft, damit die Waschbären den Müll nicht durchwühlten. Aber Wölfe würden sich vielleicht auch dafür interessieren.
Und so verbrachte ich einen angenehmen Nachmittag in der Sonne, werkelte herum und sang schief und fröhlich vor mich hin, wann immer ich Lust dazu hatte.
Als es zu dämmern begann, kamen auch schon die ersten Autos. Ich trat ans Fenster. Die Werwölfe waren anscheinend klug genug gewesen, sich zu Fahrgemeinschaften zusammenzutun, denn in jedem Wagen saßen mehrere Leute. Doch meine Auffahrt würde trotzdem bis zum nächsten Morgen blockiert sein. Wie gut, dass ich sowieso zu Hause bleiben wollte, dachte ich. Einige der Rudelmitglieder kannte ich gut, andere nur vom Sehen. Hamilton Bond, der mit Alcide zusammen aufgewachsen war, kam herangefahren, blieb aber erst mal in seinem Pick-up sitzen und telefonierte mit dem Handy. Mein Blick wanderte weiter zu einem dünnen, lebhaften jungen Mädchen mit einer Vorliebe für Glitzermode, so Sachen, die bei mir nur MTV-Klamotten hießen. Sie war mir zum ersten Mal in der Bar Hair of the Dog in Shreveport aufgefallen. Als Alcide den Werwolfkrieg gewonnen hatte, war ihr die Aufgabe übertragen worden, die verletzten Feinde zu exekutieren; Jannalynn hieß sie, glaube ich. Und ich erkannte auch zwei Frauen aus dem angreifenden Rudel, die sich nach Beendigung der Kämpfe ergeben hatten. Inzwischen hatten sie sich also ihren einstigen Feinden angeschlossen. Damals hatte sich auch noch ein junger Marin ergeben, aber er hätte jeder aus dem Dutzend sein können, das mittlerweile ruhelos vor meinem Haus herumlief.
Schließlich kam Alcide in seinem mir vertrauten Pick-up an. Zwei weitere Leute saßen bei ihm in der Fahrerkabine.
Alcide selbst ist groß und kräftig, so wie die meisten Werwölfe. Er ist ein attraktiver Mann mit schwarzem Haar und grünen Augen, und er ist natürlich ziemlich stark. Alcide ist normalerweise sehr höflich und rücksichtsvoll - aber er hat ganz sicher auch eine harte Seite. Von Sam und Jason hatte ich Gerüchte gehört, dass diese harte Seite seit seinem Aufstieg zum Leitwolf sehr viel öfter zum Vorschein kam. Mir fiel auf, dass Jannalynn sich extra bemühte, an der Autotür zu stehen, als Alcide aus dem Pick-up stieg.
Die Frau, die nach ihm ausstieg, war Ende zwanzig und hatte ausgeprägte Hüften. Sie trug ihr braunes Haar zu einem kleinen Knoten zurückgebunden, und ihr tarnfarbenes ärmelloses Top ließ erkennen, wie muskulös und fit sie war. Einen Augenblick lang sah Tarnfarbe sich vor meinem Haus um, als käme sie von der Steuerbehörde. Der Mann, der auf der anderen Seite des Pickups ausstieg, war ein wenig älter und wirkte sehr viel hartgesottener.
Auch wenn man keine Gedanken lesen kann, erkennt man manchmal auf den ersten Blick, dass ein Mensch ein hartes Leben hat. Dieser Mann hier hatte eins. Allein schon die Art, wie er sich bewegte, sagte mir, dass er jederzeit mit Schwierigkeiten rechnete. Interessant.
Ich behielt ihn im Auge, das war wohl auch nötig. Er hatte schulterlanges dunkelbraunes Haar, das ihm in einer Wolke von Korkenzieherlocken um den Kopf stand. Unwillkürlich starrte ich es neidisch an. Solches Haar hatte ich mir immer gewünscht.
Als ich meinen Haar-Neid überwunden hatte, fiel mir auf, dass seine Haut braun wie Mokkaeiscreme war. Und obwohl er nicht so groß war wie Alcide, hatte er doch dickbepackte Schultern auf einem aggressiv muskulösen Körper.
Hätte es auf dem gepflasterten Weg zu meiner vorderen Veranda einen Gangster-Alarm gegeben, wäre er in dem Moment losgegangen, als Korkenzieher seinen Fuß daraufsetzte. »Alarmstufe rot, Captain Kirk«, sagte ich laut vor mich hin. Ich hatte Tarnfarbe und Korkenzieher noch nie zuvor gesehen. Schließlich stieg auch Hamilton Bond aus seinem Pick-up aus und kam herüber zu der kleinen Gruppe, blieb aber vor den Stufen stehen und trat nicht zu Alcide, Korkenzieher und Tarnfarbe auf die Veranda. Ham hielt sich zurück. Jannalynn gesellte sich zu ihm. Das Reißzahn-Rudel hatte anscheinend nicht nur seine Reihen vergrößert, sondern auch seine Hackordnung neu festgelegt.
Als ich auf ein Klopfen hin die Tür öffnete, hatte ich mein Gastgeberinnen-Lächeln aufgesetzt. Der Bikini hätte die falschen Signale ausgesandt (Mmmh, zum Anbeißen lecker!), deshalb trug ich eine alte abgeschnittene Jeans und ein Fangtasia-Shirt. Ich stieß die Fliegengittertür auf. »Alcide!« Ich freute mich wirklich, ihn zu sehen, und wir umarmten uns
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