Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
Songs geschrieben hätte«, sprach ich weiter, »die er nie vorgespielt oder auf Band aufgenommen hätte? Was ist mit den Versionen, die nie jemand gelesen hat, die verbrannt worden sind? Das versteht Elbow unter einem privaten Diskurs. In diesen Fällen ignoriert man alle Gepflogenheiten der Wahrnehmung von Lesern, sich selbst eingeschlossen.«
»Cool.«
Dann beschäftigten wir uns mit den beiden anderen Memoiren. »Warum diese beiden?«, fragte er mich. »Was verbindet sie denn?«
Ich antwortete: »Annie Dillard und Stephen King könnten in Bezug auf Genre und Stil nicht weiter voneinander entfernt sein. In dieser Hinsicht sind sie, als kämen sie von verschiedenen Sternen. Dabei sprechen sie die gleiche Sprache – das heißt, sie kennen die Sprache so gut, dass sie sie benutzen können, wie ein guter Maler Licht, Farben und Formen einsetzt.«
Mein Vergleich aus der Malerei gefiel ihm. Als wir uns mit dem Inhalt und der Sprache der beiden Biografien näher auseinandersetzten, sprachen wir auch darüber, wie Devin Sprache nutzen könnte, um das, was er meinte, in seiner eigenen biografischen Abhandlung rüberzubringen.
»Ich könnte Wörter benutzen«, schlug er vor, »die den Leser bei der Stange halten. Nicht nur, um clever zu sein oder besonders literarisch rüberzukommen, sondern um ihnen das Gefühl zu geben, sie seien dort in dem Museum mit mir.«
»Sehr gut«, sagte ich. »Du bestimmst, was sie fühlen sollen. Du hast die absolute Macht über sie, Devin. AndereSchriftsteller, Lehrer oder Leser können dir Hinweise geben und Feedback, sie können dir sagen, was ihnen gefällt und was nicht, aber am Ende ist es deine Geschichte, deine Wahrheit.«
»Wow«, sagte er. »Das habe ich nicht geahnt.«
»Was hast du nicht geahnt?«
»Dass ich so was könnte«, er klang erstaunt. »Ich meine, ich weiß ja, dass Schreiben Macht bedeutet. Aber ich glaube, ich hab nie gedacht, dass ich sie selbst mal einsetzen könnte.«
»Warum denn nicht?«, fragte ich. Er dachte darüber nach.
»Keine Ahnung.« Er grinste. »Aber ich freue mich, dass es so ist.«
Devin schloss seinen Laptop. Die Zeit war um.
»Also«, begann er. »Erzähl mir von
deinem
Wochenende. Wie ich sehe, warst du einkaufen. Das sind übrigens richtig schöne Sandalen.« Er zwinkerte mir zu.
Ich streckte ein Bein vor und zeigte ihm den Schuh stolz. Meine Fußnägel waren tiefrot lackiert. Er schlug ein neues Thema an. »Jetzt bist
du
mit dem freien Schreiben dran.«
Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
»Stell eine Liste zusammen mit allem, was dich in Stimmung bringt«, wies er mich an.
Sofort verkrampfte ich mich. Es entging ihm nicht, und er verdrehte die Augen. »Nicht schon wieder«, sagte er.
»Hatten wir das nicht schon?«, fragte ich.
»Wann?«
»An dem Tag bei
Junior‘s
.«
»Andi, wenn du nicht über guten Sex
sprechen
kannst, wie kannst du dann guten Sex
haben
?«
Darüber hätte ich mich mit ihm streiten können, aber ich sagte nichts, sondern starrte auf mein Notepad. Ich kämpfte mit der relativ leichten Aufgabe. Nach fünf Minuten standen erst drei Sachen auf meiner Liste:
- Wenn jemand meinen Hals streichelt
- Wenn jemand mir die Füße reibt
- Nat-King-Cole-Songs
Er bat mich, die Liste laut vorzulesen. Ich spürte, wie sich das Funkeln seiner Augen durch das Papier hindurch in meine Haut einbrannte.
»Süß«, sagte er.
»
Süß?«
, fragte ich beleidigt.
»Genau. Das ist alles?«
Ich sah ihn verlegen an. »Um dir die Wahrheit zu sagen, Devin, ich hab nie drüber nachgedacht.«
»Warum nicht?«
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Wahrscheinlich war ich immer so damit beschäftigt, alles richtig zu machen, dass ich nie drüber nachgedacht habe, was mir eigentlich gefällt und was nicht.«
»Okay. Dann sag mir doch mal, was du machst, um den Typ in Stimmung zu bringen.«
Ich dachte eine Weile nach: »Ich weiß es nicht.«
Er stand auf und zog das T-Shirt aus, und wie beim letzten Mal lief mir ein Schauer die Wirbelsäule herunter. »Tu so, als sei ich dein Liebhaber«, sagte er.
So tun? Au ja!
»Berühr mich, wie du ihn berührst. Du kannst alles machen, außer mich zu küssen.«
»Aber was, wenn Küssen für mich dazugehört?«
Sein Grinsen war halb bescheiden, halb verschmitzt. »Du brauchst aber nicht zu lernen, wie man küsst.«
»Woher willst du das wissen? Du hast mich doch noch nie geküsst.«
»Ich muss dich nicht küssen, um zu wissen, dass Küssen nicht dein Problem ist.«
»Und was ist mein
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