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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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allem fähig. Wer wusste schon, welchen Schaden alte Verpflichtungen und noch ältere Eifersüchteleien bei zwei Frauen anrichten konnten, die früher einmal Freundinnen gewesen waren?
    Oder hatten sie auf verschiedenen Seiten gestanden?
    »Vielen Dank, Tante Felicity«, sagte ich. »Du musst sehr müde sein.«
    Ich konnte jederzeit wiederkommen, um letzte Fragen zu klären.
    »Du bist ein so rücksichtsvolles Kind«, erwiderte sie.
    Ich lächelte sie sittsam an.
     
    Der Verschlag unter der Treppe war nicht viel mehr als ein rechtwinkliges Dreieck mit einer schaukelnden Glühbirne an der schrägen Decke. Hier lagerten die sorgsam vor den Blicken und Kameras der Filmleute verborgenen Zeitschriften aus der Bibliothek und dem Salon. Alte Ausgaben von Country Life häuften sich wie geologische Schichten auf zerlesenen Heften der Londoner Illustrierten Nachrichten. Stapelweise Hefte von Hinter den Kulissen und Kinowoche lagerten auf alten Jahrgängen der Kinowelt , allesamt Ausgaben, die bis zur Epoche des Stummfilms zurückreichen mussten.
    Ich betrat das Kabuff, zog die Tür hinter mir zu, nahm den erstbesten Stapel herunter und fing an zu suchen.
    Ich blätterte mich durch Filmgeflüster und Kinowoche und musste über die ulkigen Posen der sogenannten »Filmsternchen« schmunzeln, von denen ich die allermeisten nicht mal mehr kannte.
    Partys, Galavorstellungen, Premieren, Wohltätigkeitsaufführungen, überall nur lächelnde Gesichter, zähnebleckendes Grinsen, glänzende Zylinder und paillettenbesetzte Abendkleider, Arme, die in exotischen Automobilen um Schultern gelegt waren – wie unglaublich viel Zeit diese Leute dafür aufgewendet hatten, sich fotografieren zu lassen!
    Es war nicht schwer, Phyllis Wyvern zu finden. Sie war überall, durchlebte die Jahre anscheinend, ohne auch nur einen Tag älter zu werden. Hier saß sie beispielsweise mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Klappstuhl, auf dessen Rückseite ihr Name stand, und las ein Drehbuch. Um die Schultern hatte sie eine Strickweste gelegt, und in ihrer Miene war äußerste Konzentration zu lesen. Dort tanzte sie mit einem jungen Flieger in einem schummrigen Nachtklub, der aussah wie die Krypta einer Kirche. Und da stand sie schon wieder, beim Dreh von Anna aus der Steppe, mit einer anderen Schauspielerin vor einem Traktor-Ungetüm. Beide wandten die Gesichter zum Himmel und ließen sich von einem Mann mit Schnurrbart und Baskenmütze das Make-up auffrischen.
    Aber was war das?
    Einen Augenblick dachte ich, die Frau neben Phyllis Wyvern sei Marion Trodd. Eine viel jüngere Marion Trodd natürlich, aber trotzdem …
    Wegen meiner Aufregung konnte ich mich kaum konzentrieren. Die Luft in dem Kabuff wurde allmählich stickig, und die nackte Glühbirne strahlte erstaunlich viel Wärme ab. Das und der Umstand, dass ich todmüde war, ließ mich ein wenig schwindelig werden.
    Wie lange hockte ich schon in diesem Wandschrank? Eine Stunde? Zwei? Es kam mir vor wie Tage.
    Ich rieb mir die Augen und zwang mich, die winzige Bildunterschrift zu lesen.
    Vielleicht hatte Vater mit seiner Aktion, uns allen eine Brille zu verpassen, doch nicht ganz unrecht gehabt. Ich setzte meine nur auf, wenn ich Mitleid heischen oder wenn ich bei einem gefährlichen Chemie-Experiment meine Augen schützen wollte. Ich erwog kurz, nach oben zu laufen und die Brille zu holen, entschied mich dann aber doch dagegen.
    Ich schüttelte den Kopf ein paarmal kräftig und las die Bildunterschrift ein zweites Mal:
    Phyllis Wyvern und Norma Durance machen sich zwischen zwei Aufnahmen frisch. Augen geradeaus für das Vögelchen, Mädels!
    Was für eine Enttäuschung. Ich hatte mich geirrt. Ich hatte gedacht, ich hätte etwas entdeckt, aber der Name Norma Durance sagte mir gar nichts.
    Es sei denn …
    Hatte ich das gleiche Gesicht nicht vorhin in einem anderen Heft gesehen? Weil die Frau dort nicht mit Phyllis Wyvern zusammen auf einem Bild war, hatte ich sie nicht näher beachtet.
    Ich ging ein paar Zeitschriften zurück.
    Da war sie! Die Schauspielerin stand in einer Scheune und streute eine Handvoll Körner aus ihrem angehobenen Rock unter eine Schar aufgescheuchter Hühner.
    »Die schöne Norma Durance verkörpert die Rolle der Dorita in Die kleine rote Henne. Nach allem, was wir gehört haben, arbeitet sie jedoch nicht für Hühnerfutter!«
    Ich hielt das Heft näher ans Licht. Dabei drückte sich der obere Rand an die Glühbirne. Im Handumdrehen wurde das Papier, das trocken wie

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