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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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gut aussah, wenn ihre Leiche gefunden wurde.
    Aber die Wunden auf Brust und Armen? War Lampman vielleicht nur in Streit mit Latshaw geraten, seinem cholerischen Vorarbeiter?
    Ich musste wirklich mit Dogger sprechen.
    Wir würden uns mit zwei dampfenden Tassen hinsetzen, ich würde ihm eine Zusammenfassung meiner Beobachtungen und Schlussfolgerungen liefern, und Dogger würde meine Scharfsinnigkeit bewundern.
    Aber vorher galt es noch etwas anderes zu erledigen.
     
    Frohgemut schleppte ich meinen Topf mit Vogelleim die steile Treppe hoch. Zum Glück hatte ich daran gedacht, eine Kleiderbürste aus der Butler-Kammer mitzunehmen, um den Schnee von den Schornsteinabsätzen zu fegen. Auch an eine steife Tapetenbürste aus der Rahmenkammer neben der Bildergalerie hatte ich gedacht, mit der ich den Leim auftragen wollte.
    Nachdem die Tür schon beim ersten Mal schwer aufgegangen war, stellte sie sich jetzt wirklich störrisch an. Ich musste mich mehrmals dagegenwerfen, bis der hohe Schnee schließlich nachgab; gerade so viel, dass ich mich durch den Spalt zwängen und aufs Dach hinaustreten konnte.
    Der eisige Wind sprang mich an wie ein wildes Tier.
    Ich stapfte durch die Schneewüste zum Westflügel des Hauses, wobei ich immer wieder knietief einsank. Der Weihnachtsmann kam bestimmt wie jedes Jahr durch den Kamin im Salon. Deshalb hatte es keinen Sinn, unnötig Körperwärme und Vogelleim zu verschwenden und auch die anderen Schornsteine einzupinseln.
    Nachdem ich die drei Aufsätze freigefegt hatte, konnte ich mich (wenn auch mit Mühe) hochziehen und mich rutschend und schliddernd den hohen Türmchen widmen, wobei ich den kleineren Schornsteinen über den Kaminen in den oberen Schlafzimmern kaum mehr als einen flüchtigen Pinselstrich gönnte. Der Weihnachtsmann würde es wohl nicht wagen, in Vaters Schornstein einzusteigen, und was Harriets Schornstein anging – das wäre nun wirklich verlorene Liebesmüh gewesen. Der Leim ließ sich zügig auftragen, wobei ich ein paar schmale Pfade freiließ, auf denen ich wieder zurückgehen konnte, ohne selbst kleben zu bleiben.
    Als ich fertig war, stand ich noch einen Augenblick halb erfroren auf dem Dach und dachte nach – bestimmt sah ich aus wie eine vom Blitz getroffene Wetterfahne, die für alle Zeiten in die falsche Richtung weist.
    Doch meine Lebensgeister kehrten rasch wieder zurück. Schließlich konnte ich mich darauf freuen, in wenigen Stunden ein beeindruckendes Fazit aus den Ergebnissen meines großen Abenteuers zu ziehen!
    Während ich mich wieder zurückkämpfte, pfiff ich ein paar Takte von »Stechpalme und Efeu«, in listiger Anspielung auf die klebrige Sauerei, die ich gerade auf den Schornsteinen von Buckshaw angebracht hatte. Ich sang sogar eine Textzeile:
    »Die So-honne geht a-hauf, der scheue Hirsch erwacht …«
    Nun musste ich mich aber endlich um meine Gedenkrakete kümmern!
     
    »Was treibst du bloß schon wieder?«, wollte Feely wissen, als ich die letzten Stufen zu meinem Labor herunterstieg.
    Sie hatte die Fäuste geballt, und ihre Augen waren, wie immer, wenn sie wütend war, ein paar Schattierungen heller als ihr übliches Blau.
    »Wer hat dich reingelassen?«, konterte ich mit einer Gegenfrage. »Ohne meine schriftliche Erlaubnis darfst du diesen Raum gar nicht betreten.«
    »Du kannst dir deine schriftliche Erlaubnis ins Ofenrohr stecken!«
    Wenn sie wollte, konnte Feely erstaunlich ordinär sein.
    Dabei waren »stecken« und »Ofenrohr« geradezu unheimlich treffsichere Anspielungen auf das, was ich gerade auf dem Dach gemacht hatte. Ich muss aufpassen, dachte ich. Vielleicht hatte Feely, so wie Val Lampman, eine Methode entwickelt, in meinen Gedanken zu lesen.
    »Vater hat mich geschickt. Ich soll dich holen«, sagte sie. »Er will, dass wir uns alle in der Halle versammeln, und zwar sofort. Er hat uns etwas mitzuteilen und Mr Lampman auch.«
    Sie drehte sich um und ging mit großen Schritten zur Tür.
    »Feely …«
    Sie blieb stehen und drehte sich, ohne mich anzuschauen, halb um.
    »Was?«
    »Daff und ich haben zu Weihnachten Waffenstillstand geschlossen. Ich dachte, vielleicht …«
    »Ein Waffenstillstand ist nach fünf Minuten um, und zwar immer , Weihnachten hin oder her. Komm mir bloß nicht mit deinen schmutzigen kleinen Tricks.«
    Mir kamen die Tränen. Am liebsten hätte ich losgeheult.
    »Warum hasst du mich eigentlich?«, fragte ich sie. »Weil ich Harriet ähnlicher bin als du?«
    Wenn es schon vorher kalt im Labor

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