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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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gar nicht übel, junge Dame. Ehrlich gesagt, war es verdammt noch mal richtig fabelhaft.«
    Daffy rutschte von der Sessellehne wieder auf die Sitzfläche, warf die Beine über die Armlehne, schlug ihr Buch an einem imaginären Lesezeichen auf und las weiter.
    »Ich danke allen Beteiligten«, sagte Inspektor Hewitt und notierte sich die Zeit in seinem Notizbuch. »Das soll fürs Erste genügen.«
    Wohl gesprochen. Denn etwas lastete schwer auf meinem Gemüt.

18
    I ch klopfte leise an Tante Felicitys Tür und schlüpfte, ohne auf eine Antwort zu warten, ins Zimmer.
    Das Fenster stand die vorschriftsmäßigen drei Zentimeter weit auf, und Tante Felicity lag auf dem Rücken, bis zum Kinn in eine Häkeldecke eingemummelt. Nur ihre ausgeprägte Hakennase ragte in die kalte Luft empor.
    Ich beugte mich über sie. Dabei klappte erst ihr eines Schildkrötenauge langsam auf und dann das andere.
    »Grundgütiger, Mädel!«, sagte sie und richtete sich auf dem Ellbogen auf. »Was ist denn los?«
    »Nichts, Tante Felicity. Ich wollte dich nur etwas fragen.«
    »War mein Mund offen?«, murmelte sie und kämpfte sich eilig wieder an die Oberfläche der Wirklichkeit. »Habe ich im Schlaf gesprochen?«
    »Nein. Du hast geschlafen wie eine Tote.«
    Mir wurde erst klar, was ich gesagt hatte, als es schon heraus war.
    »Phyllis Wyvern!«, sagte Tante Felicity, und ich nickte.
    »Also, was willst du, Mädel?«, wechselte sie leicht verstimmt das Thema. »Du hast mich bei meinem Schläfchen erwischt. Der Rhythmus der Sauerstoffaufnahme muss bei älteren Frauen in genau eingehaltenen Zwölfstundenintervallen neu eingestellt werden – da können sich sämtliche Anhänger körperlicher Ertüchtigung auf den Kopf stellen. Es handelt sich um eine schlichte Frage der Hydrostatik.«
    Das war zwar Unsinn, aber ich korrigierte sie nicht.
    Ich wagte den Sprung ins kalte Wasser. »Tante Felicity, weißt du noch, wie wir letzten Sommer am künstlichen See gesessen haben? Da hast du gesagt, ich müsse immer meine Pflicht tun, selbst wenn sie mich auf die Spur eines Mordes führt?«
    Wir hatten über Harriet gesprochen und darüber, wie ähnlich ich ihr war.
    Tante Felicitys strenge Miene wurde weicher, und sie legte die Hand auf meine.
    »Ich freue mich, dass du unser Gespräch nicht vergessen hast«, sagte sie leise. »Aber eigentlich hätte mir das klar sein können.«
    »Ich muss dir etwas beichten.«
    »Raus damit. Ich finde Gewissensbeichten genauso spannend wie jeder andere ehrliche Mensch.«
    »Ich habe mich in Phyllis Wyverns Zimmer geschlichen und mich ein bisschen umgeschaut.«
    »Und?«
    »Ich habe in ihrer Handtasche einen Führerschein gefunden. 1929 hieß sie Phyllida Lampman. Phyllida, nicht Phyllis.«
    Tante Felicity schwang sich steifbeinig aus dem Bett und trat ans Fenster. Dort blieb sie, wie Vater so oft, eine ganze Weile stehen und schaute in den Schnee hinaus.
    »Du hast sie gekannt, stimmt’s?«, platzte es aus mir heraus.
    »Wie kommst du denn darauf?«, fragte Tante Felicity, ohne sich umzudrehen.
    »Als du hier angekommen bist, hat dich Ted, der Elektriker, wie eine alte Freundin begrüßt. Val Lampman dreht seine Filme immer mit denselben Leuten. Und mit denselben Schauspielern  – auch mit Phyllis Wyvern. Daffy hat erzählt, sie hätte sich von keinem anderen Regisseur mehr Anweisungen geben lassen, seit damals irgendwas passiert ist. Als ich dich nach Ted gefragt habe, hast du gesagt, du hättest ihn im Krieg mal irgendwo gesehen – aber bei einer Verdunkelung. Und als ich meinte, dass man bei Verdunkelung gar nichts sehen kann, wolltest du mich mit Schellack überpinseln.«
    Tante Felicity holte tief Luft, so wie es wohl auch die Königin tut, bevor sie mit dem König auf den Balkon des Buckingham Palastes hinaustritt, um sich den Kameras der Wochenschauen und den Menschenmassen zu stellen.
    »Flavia«, sagte sie, »du musst mir eins versprechen.«
    »Alles, was du willst«, antwortete ich und staunte selbst darüber, wie ernst ich es meinte.
    »Was ich dir jetzt sage, darfst du niemandem erzählen. Unter keinen Umständen. Nicht einmal mir gegenüber darfst du es wiederholen.«
    »Versprochen.« Ich legte die Hand aufs Herz.
    Sie packte mich so fest am Oberarm, dass es wehtat. Aber das schien sie gar nicht zu merken.
    »Du musst wissen, dass im Krieg manche Menschen Aufgaben von allergrößter Wichtigkeit zu erfüllen hatten …«
    »Nämlich?«, fragte ich gespannt.
    »Das darf ich dir nicht sagen, denn dann

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