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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Gesicht.
    »Nicht, dass ich wüsste. Sie war gar nicht hier.«
    »Sind Sie sicher? Noch vor ein paar Minuten hat sie da gestanden, wo Sie jetzt stehen.«
    »Das musst du geträumt haben. Seit gestern Abend ist außer Dogger und mir niemand hier drin gewesen. Ach ja, und Miss Ophelia. Sie hat drauf bestanden, neben dir zu sitzen und dir das Gesicht abzutupfen. Und der Colonel natürlich, nachdem Dogger dich in dem Schneehaufen gefunden und reingetragen hat, aber das war ja schon gestern Abend. Er war heute noch nicht unten, der arme Mann. Macht sich schreckliche Sorgen, das steht mal fest. Könnte mir denken, dass er ein Wörtchen mit dir zu reden hat, wenn du wieder gesund bist.«
    »Bestimmt.«
    Ich freute mich sogar darauf. Vater und ich schienen uns immer nur unter den allerschwierigsten Umständen unterhalten zu können.
    Ohne dass ich es gehört hatte, war die Tür aufgegangen, und Dogger stand im Zimmer.
    »Na also«, sagte Mrs Mullet. »Dogger ist da. Dann kann ich ja wieder zu meinem Hammelbraten gehen. Diese Meute frisst uns noch die Haare vom Kopf! Es nimmt einfach kein Ende, so wie der Fluss in diesem Kirchenlied.«
    Sie marschierte geschäftig hinaus und wischte auf dem Weg nach draußen mit der Schürze über den Türknauf.
    Dogger wartete, bis sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
    »Liegst du bequem?«, fragte er leise.
    Ich fing seinen Blick auf, und mir war albernerweise plötzlich zum Heulen.
    Darum nickte ich nur stumm. Ich traute mich nicht, den Mund aufzumachen.
    »Weinen tun nur die anderen«, hatte mich Vater mal getadelt, und ich wollte die Meinen nicht enttäuschen, indem ich wie ein Schlosshund drauflosheulte.
    »Das war ganz schön knapp«, sagte Dogger. »Es hätte mich wirklich sehr getroffen, wenn dir etwas zugestoßen wäre.«
    Verflixt und zugenäht! Jetzt sprudelte es aus meinen Augen wie aus zwei kleinen Brünnchen. Ich griff nach einem der Taschentücher, die Mrs Mullet neben mich gelegt hatte, und tat so, als müsste ich mir die Nase putzen.
    »Entschuldige«, nuschelte ich. »Ich wollte niemandem Scherereien machen. Es ist nur, weil … na ja, ich habe ein Experiment durchgeführt. Es hatte was mit dem Weihnachtsmann zu tun. Er ist nicht gekommen, oder?«
    »Wer weiß«, antwortete Dogger und gab mir noch ein Taschentuch. »Du kannst hier reinbellen.«
    Ich hatte gar nicht richtig mitbekommen, dass ich hustete.
    »Wie viele Finger halte ich hoch?«, fragte Dogger und hob die Hand ein Stück rechts von meinem Kopf.
    »Zwei«, sagte ich, ohne hinzuschauen.
    »Und jetzt?«
    »Vier.«
    »Wie lautet die Ordnungszahl von Arsen?«
    »Dreiunddreißig.«
    »Sehr gut. Und wie heißen die am häufigsten vorkommenden Alkaloide der Tollkirsche?«
    »Das ist leicht. Hyoscin und Hyoscyamin.«
    »Ausgezeichnet.«
    »Die beiden haben unter einer Decke gesteckt, stimmt’s? Marion Trodd und Val Lampman, meine ich.«
    Dogger nickte. »Allein hätte Miss Trodd Miss Wyvern nicht überwältigen können. Die Erdrosselung mit einem Filmstreifen erfordert viel Kraft. Es handelt sich um eine äußerst schlüpfrige Waffe, aber zugleich um eine sehr elastische und praktisch unzerreißbare, wie du sicherlich von deinen chemischen Experimenten weißt. Eine ausgesprochen männliche Waffe, würde ich behaupten. Was uns allerdings immer noch fehlt, ist das Motiv.«
    »Rache«, erwiderte ich. »Und Geldgier. Miss Wyvern wollte jemandem etwas mitteilen – Desmond oder Bun, vielleicht auch Tante Felicity. Das habe ich leider nicht herausgefunden. Sie wusste, dass ihr Leben in Gefahr war. Da sie die einschlägigen Gazetten und Revolverblätter abonniert hatte, konnte sie die Zeichen lesen. Sie wollte ihre Überlegungen gerade aufschreiben, als die Mörder kamen. Sie stopfte den Zettel schnell in ihren Stiefel, den ihr die beiden dann zusammen mit dem Kostüm anzogen. Ein Fehler, der ihnen nicht hätte unterlaufen dürfen.«
    Dogger kratzte sich am Kopf.
    »Ich erklär’s dir später noch mal«, sagte ich. »Jetzt bin ich so müde, dass ich kaum die Augen offen halten kann.«
    »Du kannst den Senfwickel jetzt abnehmen«, sagte Dogger. »Ich glaube, du bist erst mal wieder aufgewärmt.«
    Er hielt mir ein Silbertablett hin, und ich legte das stinkende Dingens darauf.
    »Pass auf, dass das Tablett nicht blind wird«, sagte ich halb im Scherz.
    Dabei stimmte es. Die Schwefeldämpfe würden das Silber im Nu angreifen und stumpf werden lassen.
    »Keine Sorge«, erwiderte Dogger. »Das Tablett ist nur

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