Vorhofflimmern
Ohren.
„Wie geht´s denn mit DiCastello voran?“, fragte Schwester
Unbekannt.
Steffi kicherte. „Oh, also weißt du, ich habe ihn am Samstag
getroffen…“
Bitte was?
„Wirklich? Und? Ist was gelaufen?“, wollte die andere
Schnepfe wissen.
Ich hielt den Atem an.
„Noch nicht“, meinte Steffi und senkte verschwörerisch die
Stimme, „aber wir haben geflirtet, das glaubst du nicht!“
Nein, das glaubst du nicht!
Ich konnte es nämlich auch nicht glauben. Sie haben
geflirtet? Er war doch auf einer Geburtstagsparty? Meine Finger verkrampften
sich und drohten die Blutproben zu zermalmen.
Die beiden Weiber bekamen von meiner Krise nichts mit, darum
flötete Steffi unbeschwert weiter: „Er ist ja so charmant! Ich kann es gar
nicht mehr erwarten, ihn mir endlich zu krallen.“
„Ihr wärt wirklich ein tolles Paar“, schleimte die
Unbekannte.
Die Plastikröhrchen in meiner Hand knacksten bedenklich.
„Ja, wir passen echt gut zusammen. Zwischen uns knistert es
ganz gewaltig. Gestern habe ich ihn in meiner Spätschicht in der Ambulanz
besucht. Wir haben zusammen einen Kaffee getrunken und er hat sich sehr über
meinen Besuch gefreut, das habe ich deutlich gemerkt.“
Kaffee. Zusammen. Gestern?
Für mich konnte er gerade mal drei Minuten Telefonat
erübrigen, weil er ja so im Stress war, aber für diese blöde Kuh nahm er sich
Zeit für einen Kaffee???
Und was sollte das mit dem Knistern?
Mein Kopf schwirrte und mir lief es heiß und kalt
gleichzeitig den Rücken hinunter.
Er war am Samstag auf keiner Geburtstagsparty. Nein, er hatte
sich mit Steffi getroffen und sie umgarnt.
Ich öffnete meine Faust und starrte auf die Blutröhrchen.
Dass die Plastikkuh und ihre Freundin gackernd an mir vorbeigingen, bemerkte
ich nur am Rande.
Hatte Desiderio sich wirklich sein nächstes Opfer für seine
unwiderstehlichen Charmeurspielchen gesucht? Sollte ich doch Recht behalten,
mit meiner ersten Einschätzung seines Wesens?
Einzig der Umstand, dass wir noch keinen Sex hatten und er
deshalb ja sein Ziel noch nicht erreicht hatte, passte nicht ganz zu der
Geschichte.
Dieser Fakt war der einzige, der mein Herz vor dem sofortigen
Zerspringen bewahrte. Steffis Worte verwirrten mich so sehr, dass ich plötzlich
gar nichts mehr fühlte. Ich war nicht enttäuscht, oder sauer, oder sonst irgendwas.
Ich wollte nur wissen, was an der Sache dran war. Ich musste Desiderio zur Rede
stellen, bevor ich explodieren konnte.
Die letzten Stunden meiner Schicht
arbeitete ich mechanisch vor mich hin, wie ein Roboter. Mein starrer Blick
verunsicherte meine Patienten zwar, aber mir war das egal.
Erst als ich meinen Ford vor einem großen Haus in der
Siedlung, die allgemein als das Bonzenviertel Wollbachs bezeichnet wurde,
parkte, begann sich ein ungutes Gefühl in mir auszubreiten.
Ich bekam Angst.
Angst davor, dass Desiderio mich verarscht hatte.
Angst davor, dass ich schon wieder einen großen Fehler
begangen hatte.
Langsam schritt ich auf das beeindruckende Einfamilienhaus
zu. Der Vorgarten wirkte sehr gepflegt und ich fragte mich kurz, wer sich wohl
um den Rasen kümmern würde. Vermutlich hatte er einen Gärtner angestellt. Neben
der einladenden Eingangstür waren Säcke mit Kalkputz gestapelt. Ich erinnerte
mich daran, dass Desiderio einmal erwähnt hatte, er würde renovieren.
Die damalige Szene vor dem Baumarkt kam mir wieder in den
Sinn.
Ich fröstelte, was nicht unbedingt nur an dem kalten
Herbstwetter lag, und drückte mit bebenden Fingern auf die Klingel. Der Summer
ertönte und ich öffnete die Tür.
Desiderio war nirgends zu sehen, darum trat ich zögernd in
den breiten Flur. Überall lag Werkzeug und Renovierungsmaterial herum.
Ich kam mir ein wenig vor wie bestellt und nicht abgeholt,
als endlich Desiderios Stimme aus dem oberen Stockwerk ertönte: „Lena?“
„Ja?“
Wen hatte er denn sonst erwartet? Plastik-Steffi?
„Hey! Ich bin gleich bei dir. Komm einfach rein und mach´s
dir irgendwo gemütlich!“
Obwohl ich mich ziemlich unwohl in dem großen, fremden Haus
fühlte, kam ich seiner Aufforderung nach und schloss leise die Eingangstür
hinter mir. Weil ich mir ein wenig wie ein Einbrecher vorkam, wanderte ich
einfach in das erste Zimmer, das mir unterkam.
Es war ein Esszimmer. Groß und hell, und sehr elegant
eingerichtet. Es roch nach neuen Möbeln und frischer Wandfarbe. Neugierig sah
ich mich um und entdeckte einen wunderschönen, offenen Kamin. Darüber hing ´Die
Frau am Fenster`.
Ich
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