Vorhofflimmern
ich mich versah wurde dieser von einem
sanften Kuss im Keim erstickt.
„Guten Morgen“, flüsterte Desiderio, nachdem er sich von mir
gelöst hatte.
Er strahlte mich mit seinen blauen Augen an und spielte
zärtlich mit einer Haarsträhne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte. Ich
lehnte an der Wand und sah gewissermaßen fasziniert zu ihm auf.
Es war mir nach wie vor ein Rätsel, wie sich ein Mann so
derart stark auf meinen Körper auswirken konnte. Seine Ausstrahlung umhüllte
mich wie eine Aura und das verheißungsvolle Lächeln auf seinen Lippen, ließ
meine Knie wieder einmal kraftlos erzittern.
Es kostete mich einige Anstrengung, bis ich meinen Mund dazu
bringen konnte, endlich zu sprechen.
„Ich dachte schon, du wärst nach Hause gegangen“, sagte ich
leise und legte meine bebenden Hände auf seine Brust, um mich zu vergewissern,
dass er wirklich vor mir stand und nicht nur ein Hirngespinst war. Erst als ich
spürte, wie er ruhig atmete und ich sogar seinen Herzschlag fühlen konnte, war
ich mir vollkommen sicher, dass ich nicht träumte.
„Wie hätte ich gehen können, ohne dich gesehen zu haben? Ich
habe die ganze Nacht auf dich gewartet, mein Schatz.“
Da war es wieder.
Mein Schatz…
Ich fand keine passenden Worte, darum küsste ich ihn einfach.
Er antwortete sofort und drängte sich mir entgegen. Das war gut, denn
eingeklemmt zwischen seinem Körper und der Wand hinter mir, konnte ich
wenigstens nicht umfallen, weil meine Beine sich nun vollends in Wackelpudding
verwandelten.
Für einen Moment vergaßen wir beide, wo wir waren. Ich wusste
sogar kurzzeitig nicht einmal mehr meinen eigenen Namen, so innig und
leidenschaftlich waren seine Küsse. Erst als Reinmanns genervte Stimme vom Gang
aus durch die geschlossene Tür zu uns durchdrang, ließen wir voneinander ab.
Eigentlich sprangen wir mehr oder weniger auseinander, weil
wir beide befürchteten, der Oberarzt würde ins Arztzimmer stürmen. Das tat er
nicht. Gott sei Dank, denn unsere geröteten Gesichter sprachen Bände, so dass
sogar Reinmann mit Sicherheit erkannt hätte, was hier gerade vor sich gegangen
war.
Nun, Desiderio und ich waren somit stillschweigend zu der
Übereinkunft gekommen, dass das Krankenhaus von unserer Liebelei nichts
erfahren sollte. Zumindest noch nicht. Irgendwie erleichterte mich das.
Verlegen rückte ich mein Oberteil zurecht und strich mir die
Haare aus der Stirn. „Puh!“
„Ich würde sagen, wir verlegen das auf später“, grinste er
verschmitzt.
„Ja, wird wohl das Beste sein.“
„Kommst du nach der Arbeit zu mir?“
„Sehr gerne.“
Bei dem Gedanken daran, was wir bei ihm zu Hause alles
anstellen könnten, kam ich direkt ins Schwitzen.
„Hast du meine Adresse noch?“, fragte er.
„Hm, ich glaube schon“, meinte ich langsam, obwohl ich sie
natürlich noch hatte. Um genau zu sein, lag seine handgeschriebene Nachricht
nämlich wohlbehütet in meinem Nachtkästchen. Ich war zwar kein Romantiker, aber
den Brief hätte ich niemals wegwerfen können. Außerdem kannte ich die Adresse
längst auswendig.
„Okay. Ich freu mich schon.“ Er stupste mir mit dem
Zeigefinger auf die Nase und schlüpfte aus der Tür.
Was? Kein Abschiedskuss?
Nun, es war wahrscheinlich besser so, denn wenn er mich noch
einmal so geküsst hätte, wie vorhin, dann hätte ich ihm wohl seine Klamotten
vom Leib reißen müssen.
Ich wartete noch einen Augenblick, dann entschwebte ich dem
Arztzimmer mit einem Kribbeln im Bauch und einem verzückten Grinsen im Gesicht.
Das mit dem Arbeiten stellte mich vor
eine große Aufgabe. Ich war unkonzentriert und sah öfter auf die Uhr, als auf
meine Patienten. Sandra verkannte natürlich die Ursache für mein Verhalten und
fragte mich beinahe stündlich, ob es mir denn wirklich gut gehe.
Als sie gegen Mittag irgendetwas von einem Seelsorger
erzählte, packte ich mir ein paar Blutproben und floh eilig ins Labor. Obwohl
das sonst nicht meine Art war, ließ ich mir viel Zeit bei meinem Weg dorthin.
Meine Gangart konnte man fast schon als Schlendern bezeichnen.
Weil ich eben so langsam unterwegs war, schnappte ich ein
Gespräch zwischen der dummen Steffi und einer mir unbekannten Kollegin auf. Sie
standen im Flur um die Ecke, vermutlich vor dem großen Snackautomaten, und
plauderten miteinander. Eigentlich interessierte es mich ja herzlich wenig, was
die Plastikkuh zu verzapfen hatte, aber als ein bestimmter Name fiel, blieb ich
automatisch stehen und spitzte die
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