Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Danninger
Vom Netzwerk:
Arbeitskollegen einlassen. Und auf Schönlinge auch nicht. Und auf
schöne Arbeitskollegen erst recht nicht! Verdammter Mist, warum habe ich das
nur getan?“ Das Schluchzen kam zurück und ich hörte mich an wie ein jaulender
Koyote. „Wieso habe ich zugelassen, dass er eine solche Kontrolle über mich
erlangt?“
    Der Schmerz der absoluten Enttäuschung erfasste mich. Weinend
rollte ich mich zusammen und fiel in ein tiefes Loch der Verzweiflung.
    Ab diesem Zeitpunkt verzichtete Vera darauf mir gut
zuzureden. Sie wusste, dass keine Worte der Welt mir in dieser Verfassung
geholfen hätten. Trotzdem stand sie mir bei, indem sie einfach nur da war. Ich
hörte, wie sie einmal kurz mit Sebastian telefonierte und ihm erklärte, dass
sie heute bei mir übernachten würde. Dann machte sie es sich neben mir auf der
Couch gemütlich und stellte wie selbstverständlich den Fernseher an.
    Seltsamerweise tat mir diese alltägliche Tätigkeit irgendwie gut
und meine Tränen versiegten nach und nach. Ich starrte dumpf auf den
Flimmerkasten und verfolgte die bunten Bilder darauf, obwohl ich keinen Sinn
dahinter erkannte. Ob es nun ein Film war, oder eine Dokumentation, das
vermochte ich beim besten Willen nicht zu sagen, dennoch wirkte sich das Ganze
beruhigend auf mich aus.
    Mein Handy piepste laut. Es lag noch immer im Flur und Vera
stand schweigend auf, um es zu holen. Sie brachte es, warf einen Blick darauf
und sah mich fragend an.
    Ich wusste sofort, dass es eine SMS von Desiderio sein
musste. Erst zögerte ich kurz, doch dann nickte ich leicht und nahm das Telefon
entgegen.
    Mein Bett fühlt sich so leer an, wenn du nicht da bist.
Ich vermisse dich und bin in Gedanken bei dir. Gute Nacht, kleine Kriegerin!
    Sein Bett fühlte sich leer an? Das bezweifelte ich!
    Unbändiger Zorn überkam mich und ich warf mein Handy untermalt
mit einem Schrei gegen die Wand. Es fiel in mehreren Teilen zu Boden, doch das
war mir egal. Ich schmiss noch ein paar Sofakissen hinterher und sprang dann
auf, um ziellos durch meine Wohnung zu irren. Vera beobachtete meinen Ausbruch
mit verschränkten Armen und ließ mich gewähren, war aber jederzeit bereit
einzuschreiten.
    Ich stand inzwischen in der Küche und stierte auf die Calla,
die ich zusammen mit dem Brief auf meinem Esstisch drapiert hatte.
    So schöne Worte, in einer eleganten Handschrift verfasst.
    Alles Lügen!
    Ich packte den Schrieb und zerfetzte ihn in tausend Stücke.
Genauso wie Desiderio es mit meinem Herz getan hatte.
    Da lagen sie, seine Versprechungen, und zeigten, was sie in
Wahrheit waren. Nur unbedeutende Papierschnipsel.
    Ich fasste nach der Vase, um auch diese zu zermalmen, doch
Vera war aus dem Nichts aufgetaucht und legte sachte ihre Hand auf meinen Arm.
Ohne Worte nahm sie mir die Vase ab und reichte mir stattdessen die einzelne
Blüte. Natürlich, wäre ja auch zu dumm, wenn ich mir in meinem Zorn auch noch
die Fliesen kaputtmachen würde.
    Meine Finger schlossen sich um die Blume und zermalmten
langsam die perfekten Blätter.
    Die matschige Calla fiel zu Boden und ich sah sie lange
nachdenklich an.
    Jetzt war sie wirklich wie ich. Erst war sie in voller Pracht
aufgeblüht, bis sich jemand rücksichtslos an ihr verging und sie achtlos
wegwarf, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatte.
    Ich fühlte, wie der Zorn allmählich wieder nachließ, um dem
dumpfen Schmerz meiner verletzten Gefühle zu weichen.
    „Ich gehe jetzt schlafen“, teilte ich Vera mit bebender
Stimme mit und verließ die Küche.
    Eingehüllt in tiefste Trauer zog ich mich um und ließ mich in
mein Bett fallen. Meine Freundin wuselte noch eine Weile herum. Vermutlich
beseitigte sie gerade die Spuren meines Anfalls und räumte auf.
    Sie kam ins Schlafzimmer und legte mein Handy auf den
Nachttisch.
    „Die Scheibe hat einen Sprung, aber es funktioniert noch
einwandfrei. Gut, dass du kein Smartphone hast. Ich habe es vorsorglich
ausgeschaltet“, erklärte sie ruhig.
    Ich nickte nur mit trübem Blick.
    Da Vera ohnehin kein Dankeschön erwartet hatte, ging sie zu
meinem Kleiderschrank und holte sich ein T-Shirt zum Schlafen heraus. Dann
stellte sie mir noch den Wecker ein, legte sich zu mir und löschte das Licht.
    Während ihre Atemzüge schon bald langsam und regelmäßig
wurden, lag ich noch eine Ewigkeit auf dem Rücken und blickte starr auf die
Zimmerdecke. Dabei stellte ich mir immer wieder dieselbe Frage: Wie konnte
Desiderio mir das nur antun?

 
Kapitel 31
    Mit fleckigem Gesicht und geröteten
Augen

Weitere Kostenlose Bücher